Das Unbehagen an der Politik droht bei vielen in ein Unbehagen an der (Parteien-) Demokratie umzuschlagen. Als Allheilmittel wird da gern "mehr direkte Demokratie" angepriesen, hauptsächlich von Rechtspopulisten, aber nicht nur.

Vor ein paar Jahren stimmten alle Parteien einem Gesetzesentwurf zu, wonach ab einer bestimmten Zahl von Unterschriften bei einem Volksbegehren automatisch eine Volksabstimmung über das Thema stattfinden solle. Die Initiative verlief im Sand, auch weil Bundespräsident Heinz Fischer sich klar gegen diese Aushöhlung der repräsentativen, parlamentarischen Demokratie aussprach.

Inzwischen macht die FPÖ den Punkt "mehr direkte Demokratie" zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung ihrerseits. Das ist nur logisch. (Rechts)populistische Parteien brauchen die Mobilisierung durch Volksabstimmungskampagnen. Da lassen sich Hass und Wut schüren, der Erregungspegel wird hochgepeitscht. Für abgewogene Argumente, für Fakten, für Rationalität oder gar für Unpopuläres ist da kaum mehr Platz. Im Gegenteil, wie man am Brexit gesehen hat, wird der Kampf oft mit glatten Lügen geführt. Die Vorstellung, dass sich eine Allianz aus einer rechtspopulistischen Partei und einer Krawallzeitung eines Themas bemächtigt, sollte unbehaglich machen.

Keine Ja/Nein-Enscheidungen

Aber auch wenn man von den Rechtspopulisten absieht: Die zwangsläufige Ja/Nein-Entscheidung einer Volksabstimmung wird den meisten politischen Themen nicht gerecht. Ein wichtiges Gesetz wird in der Regel im Vorfeld diskutiert, zuerst in der Öffentlichkeit, dann in Parlamentsausschüssen, oft unter Einbeziehung der Opposition, aber auch diverser Interessengruppen.

Vor allem aber: Die Demokratie ist keine Diktatur der Mehrheit.

Viele Menschen meinen, das sei der Fall. Die Mehrheit entscheidet, und basta. Aber das stimmt nicht: Die Interessen der Minderheit müssen immer berücksichtigt werden, dafür gibt es zahlreiche Bestimmungen über Minderheitenschutz im politischen Alltag. Und bei wirklich wichtigen Entscheidungen sollte der Minderheitenschutz schon im Vorfeld eingebaut werden.

Das ist bei Referenden, die knapp ausgehen, nicht oder kaum möglich. Beim Brexit lautete der Ausgang 52:48. Bei einer so monumentalen Entscheidung über die Zukunft des Landes ist das verdammt knapp. Der EU-Beitritt Österreichs 1995 erfolgte mit 67 Prozent Zustimmung.

Nicht über das Thema abgestimmt

Überdies wird bei einem Referendum oft über etwas anderes als das Thema abgestimmt. Die Zwentendorf-Abstimmung ging auch deswegen knapp gegen das Atomkraftwerk aus, weil viele Bürgerliche Bruno Kreisky eine Niederlage bereiten wollten. Auch beim Brexit ging es im Grunde um die Zuwanderung, nicht um Englands wirtschaftliche Zukunft.

Ja, aber die Schweiz. Das ist der beliebte Einwand der Plebiszit-Fans. Aber die Schweiz ist ein echter Sonderfall und hat eine andere Tradition.

Volksabstimmungen soll es geben, aber sparsam und gut überlegt. "Nicht alles, was gut gemeint ist, ist gut", sagte Heinz Fischer. (Hans Rauscher, 6.1.2017)