Wien – Die EU-Kommission hat sich indirekt gegen den Vorstoß von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) für eine europaweite Flüchtlingsobergrenze ausgesprochen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten seien an die Genfer Konvention (GfK) gebunden. Diese Konvention, die Menschen, die vor Folter oder Verfolgung fliehen, Schutz gewährt, gilt in der gesamten EU.

Laut GfK dürfen fliehende Menschen nicht einfach an der Grenze zurückgeschoben werden, ohne dass ihre Fluchtgründe geprüft werden. Solche Push-Backs seien verboten, so Kommissionssprecherin Natasha Bertaud am Freitag.

Todesfälle verhindern

Die Sprecherin betonte, die EU-Kommission kommentiere keine individuellen Äußerungen von Ministern. Die EU-Kommission trete aber dafür ein, die Kooperation mit den Nachbarstaaten Europas zu stärken und Todesfälle auf Hoher See zu verhindern. Die EU bemühe sich unter Führung der Hohen Beauftragten, Federica Mogherini, um maßgeschneiderte Partnerschaftsabkommen. Es gebe im Moment keine Pläne, Asylzentren zur Bearbeitung von Anträgen außerhalb der EU einzurichten.

Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) hatte sich für eine europaweite Flüchtlingsobergrenze ausgesprochen. Künftig sollen keine Asylanträge mehr auf europäischem Boden gestellt werden, sondern nur noch in "Verfahrenszentren" außerhalb der EU, etwa im Niger, in Usbekistan oder Jordanien, heißt es in einem Konzept Doskozils, über das der "Kurier" und die "Bild"-Zeitung berichteten.

Sobotka unterstützt den Vorschlag

Innenminister Sobotka äußerte sich bereits am Donnerstag positiv zum Konzept von Doskozil. "Wir unterstützen das voll", sagte die Sprecherin Sobotkas, Katharina Nehammer. Für eine europaweite Flüchtlingsobergrenze brauche es aber zuerst eine gesetzliche Verankerung der Obergrenze in Österreich, betonte sie.

"Wir brauchen eine gesetzliche Verankerung der Obergrenze im Gesetz", bekräftigte Sobotkas Sprecherin die bisher von der SPÖ abgelehnte Forderung. Klar sei, dass für den Gesetzesbeschluss eine Verfassungsmehrheit erforderlich sei, fügte sie in Anspielung auf die verfassungsrechtlichen Bedenken zur Flüchtlingsobergrenze hinzu.

Weil die Obergrenze derzeit nur in einem Ministerratsbeschluss enthalten sei, könne das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) "den 35.001" Asylbewerber nicht anders behandeln als die Asylbewerber unterhalb der Obergrenze, argumentierte die Ministersprecherin. Sie verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass fast 13.000 Dublin-Fälle aus dem Jahr 2016 ins neue Jahr mitgenommen worden seien, die schlagend werden könnten. Somit bräuchte es nur 22.000 neue Asylbewerber, um die Obergrenze für das Jahr 2017 zu erreichen.

Kurz erneuert "Australien"-Vorschlag

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) schärfte unterdessen seinen im Vorjahr gemachten "Australien"-Vorschlag zur Rückführung von Migranten in Aufnahmelager außerhalb der EU nach. Der "Bild"-Zeitung (Donnerstagsausgabe) sagte er, dass in diese "Aufnahmezentren" in Nordafrika und dem Nahen Osten auch abgelehnte Asylbewerber zurückgebracht werden sollen. Er habe seine Pläne "weiterentwickelt", meint Kurz.

Kritik an Doskozils Vorstoß kam am Freitag von der Jugendorganisation der eigenen Partei. Vor einem Kopieren des "Sobotka-Kurz-Kurses" und vor "Obergrenzen-Fetischismus" warnte die Sozialistische Jugend-Vorsitzende Julia Herr. "Wann immer sich die Gelegenheit ergibt, die öffentliche Debatte auf die brennenden sozial- und wirtschaftspolitischen Themen zu richten, führt Doskozil sie auf die Asylpolitik zurück. Damit unterstützt er jedoch bloß die Politik von Rechts", so Herr am Freitag in einer Aussendung. Es sei "sicher nicht Aufgabe eines Sozialdemokraten, das Geschäft der Viktor Orbans zu erledigen und mangelnde Solidarität vieler ost- und westeuropäischer Staaten politisch zu rechtfertigen". Es brauche vielmehr einen Kampf gegen die Fluchtursachen, sagte Herr.

Scharfe Kritik kam auch von den Grünen. Der Vorschlag würde de facto das Ende der Flüchtlingskonvention bedeuten. "Das Recht auf einen Asylantrag in Europa gänzlich abzuschaffen, wie es der Verteidigungsminister Doskozil vorschlägt, ist ein klares Zeichen seines Scheiterns", erklärte die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun. Für Korun darf die Staatengemeinschaft nicht auf Abschottung setzen, sondern müsse konkrete Initiativen anpacken. Es brauche mehr Hilfe an Ort und Stelle, legale Fluchtwege, um bezahlten Schleppern ihr Geschäftsmodell zu entziehen, und ein einheitlich europäisches Asylsystem. Lob bekam Doskozil von der FPÖ. (APA, 6.1.2017)