In hundert Jahren von null auf 56. Die Zahl der Frauen im österreichischen Parlament wächst im Schneckentempo. 1918 hat sich die provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich ausschließlich mit Männern konstituiert, heute sind 30 Prozent der 183 Abgeordneten weiblich.

Nicht nur, dass der Nationalrat von einer Quote von fünfzig Prozent weit entfernt ist: Der Frauenanteil sinkt sogar. Dabei sollte das Parlament die Bevölkerung repräsentieren – und mehr als die Hälfte davon sind Frauen. Noch immer kandidieren zu wenig Politikerinnen an wählbarer Stelle.

Der Grund dafür liegt nicht daran, wie viele meinen, dass es zu wenig qualifizierte Frauen gibt. Im Gegenteil, Frauen sind im Durchschnitt mittlerweile besser ausgebildet als Männer. Es liegt schlicht und einfach an den historischen Strukturen, die noch immer nicht aufgebrochen sind. Das Vertraute ist einem am nächsten, Veränderung könnte unangenehm werden, weil man mit neuen Situationen konfrontiert wird. Männer sind seit Jahrzehnten Parteivorsitzende, Gewerkschaftsbosse und Aufsichtsratschefs. Da ist es nur natürlich, dass der Chef ebenfalls einen Mann als Nachfolger auswählt.

Dazu kommen die ebenfalls seit Jahrzehnten bestehenden Männernetzwerke. Der Kollege, mit dem man das Fußballspiel gewonnen oder die Nacht durchgesoffen hat, ist einem vertraut. In der Politik sind es die gemeinsamen Jahre in der Parteijugend oder der Studentenverbindung, die zusammenschweißen. Das sind jene, die einem bei einer frei werdenden Stelle oder in den Parteien bei einer Listenerstellung als Erstes in den Sinn kommen.

Frauen setzen andere Schwerpunkte oder sind von diesen informellen Netzwerken ausgeschlossen, weil sie familiäre Pflichten übernehmen und die Kinder betreuen oder die Eltern pflegen. Auch hier wirken alte Strukturen: Frauen waren in der Gesellschaft immer mit diesen Aufgaben betraut, und eine Veränderung geht nur sehr langsam voran. Österreich ist europaweit eines der Schlusslichter bei der Einrichtung von Kinderkrippen.

Davon abgesehen kann es keine wirklich gute Lösung sein, dass Frauen verstärkt ein Teil von Männernetzwerken werden. Diese Mauschelei und Freunderlwirtschaft bringt ohnehin nicht die Besten an die Spitze, sondern oft jene mit der größten Klappe.

Die beste Lösung ist deshalb eine, die schon seit Jahren diskutiert wird und endlich konsequent auch von den Parteien im Parlament umgesetzt werden sollte: eine verpflichtende Frauenquote. Die einzige Partei, die kontinuierlich gleich viele Männer wie Frauen in politische Gremien entsendet, sind die Grünen. Sie wenden ein Reißverschlusssystem an, bei dem sich Frauen und Männer auf den Listen abwechseln. Gewählt werden sie von der Basis beim Bundeskongress.

Dass freiwillige Regelungen nicht funktionieren, sieht man bei der SPÖ, wo seit Jahren die Quote von 40 Prozent nicht eingehalten wird. Seit 2014 gibt es eine Statutenänderung, wonach Listen, die sich nicht an die Quote halten, ungültig werden. Den ersten Test wird diese Regelung bei der nächsten Nationalratswahl bestehen müssen.

Wer will, dass das Parlament die Bevölkerung repräsentiert, wird um die Quote nicht herumkommen. Nur so werden sich die lange gepflegten Gewohnheiten ändern, die eine Hälfte der Bevölkerung systematisch von politischer Beteiligung ausschließen. (Lisa Kogelnik, 5.1.2017)