Vor allem junge Frauen haben in der Politik hohe Hürden zu überwinden. Besonders belastend sind alte Rollenbilder. Weg von den ausgetretenen Pfaden, raten Expertinnen.

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Der Anteil der Frauen in der Politik nimmt ab. Man könnte auch sagen: Die Dominanz der Männer nimmt zu. Im Nationalrat, den meisten Landtagen oder in den Landesregierungen – der Einfluss der Frauen sinkt (siehe Grafik unten). Wollen sie nicht? Lässt man sie nicht?

Eine, die differenzierte Antworten darauf gibt, ist Politikerin, wollte aber nie eine sein. Ulrike Böker war in Kulturinitiativen engagiert, bis "die Unzufriedenheit über die Zustände" so groß wurde, dass sie in ihrer Gemeinde Ottensheim bei Linz eine Bürgerliste mitgründete. Ein Jahr später, 1998, wurde sie in den Gemeinderat gewählt, fünf Jahre danach wurde sie Bürgermeisterin und blieb es zwölf Jahre lang. "Wir müssen dringend raussteigen aus diesen Fußstapfen", sagt Böker. Sie meint damit alte Rollenbilder: Wenn Dorffest ist, backen Frauen Kekse, Männer halten Reden.

Nicht den Mund aufreißen

Wenn Böker "Wir" sagt, meint sie auch, aber nicht nur Frauen. Den Gegenwind, den junge Kolleginnen in der Politik spüren, kennt sie allzu gut. Als sie als erste Frau in den Wirtschaftsausschuss der Gemeinde ging, sei sie belächelt worden. Die Erwartung: "Die wird ihren Mund schon nicht aufreißen." Dass sich die Kollegen im Ausschuss täuschen sollten, ist eine Geschichte. Dass sich ein Mann mit solchen Vorbehalten eher nicht herumschlagen muss, eine andere.

Heute ist Böker Landtagsabgeordnete im grünen Klub. Bei den Grünen gilt ein sogenanntes Reißverschlussprinzip, das heißt, dass jeder zweite Platz auf einer Wahlliste an eine Frau geht, damit am Ende rund gleich viel Männer wie Frauen im Parlament sitzen. Parteien links der Mitte sind tendenziell quotenfreundlich, konservative und rechte Parteien eher quotenfeindlich. Warum aber sollten Frauen ein Trampolin brauchen, um ein Mandant zu erlangen, während es Männer aus dem Stand schaffen?

"Meinem Gefühl nach müssen Frauen immer noch doppelt kämpfen", sagt Daniel Kosak, Sprecher des Gemeindebunds und als ÖVP-Vizebürgermeister von Altlengbach selbst in politischer Funktion. Unter den Bürgermeistern gibt es besonders wenige Frauen, Österreich ist hier EU-weit unter den Schlusslichtern. Einerseits verdienen Männer besser, können sich die – unbezahlte – Kommunalpolitik also eher leisten, meint Böker. Zudem müssen sich Väter meist nicht darum kümmern, wer an Sitzungsabenden die Kinder betreut – das machen ja die Mütter.

Grafik: STANDARD

Besonders abschreckend wirkt, dass vor allem junge Frauen weniger ernst genommen werden, sagt Ex-SPÖ-Nationalratsabgeordnete und heutige Frauenring-Vorsitzende Sonja Ablinger: "Eine Frau sagt etwas und redet gegen die Wand. Der Platzhirsch von der Gewerkschaft sagt dasselbe – alle applaudieren." Auf Dauer frustriert das, denn Politik ist Knochenarbeit, "man tut sich das nur an, wenn man das Gefühl hat, etwas bewirken zu können".

Zwar haben es auch männliche Politanfänger schwer. "Bei einem Mann wird aber nie so stark an der Qualifikation gezweifelt wie bei Frauen", sagt Helga Lukoschat, Chefin der EAF Berlin, einer Forschungs- und Beratungseinrichtung für Chancengleichheit. Im historischen Kontext sind weibliche Politiker eben ein junges Phänomen, Bilder ändern sich nur langsam, und den Zweifel tragen Frauen immer auch in sich selbst. "Vor allem auf dem Land herrscht das Bild, Politik ist etwas, wo Frauen nicht hingehören", sagt Ablinger. Weibliche Vorbilder helfen. Männer, die sich gegen sexistische Bemerkungen stellen, ebenso.

Dass Gleichstellung in Parteien oft als Luxusthema gilt, sei ein Schuss ins Knie, meint Lukoschat: Parteien brauchen Nachwuchs und können es sich weniger denn je leisten, auf die Hälfte der Bevölkerung zu verzichten, so die Expertin: "Parteien als Honoratiorenvereine etablierter Männer – das geht auf Dauer nicht." (Maria Sterkl, 6.1.2016)