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Wo ist hier der Magertopfen? Oben? Unten? In der Mitte? Ob der junge Mann nur die Zutaten für das Abendmahl einkauft oder als Mystery-Shopper und Mikrojobber unterwegs ist, ist nicht ersichtlich. Mit der App auf dem Handy begeben sich mittlerweile gar nicht so wenige auf die Pirsch.

Foto: Oliver Berg dpa

Wien – Ein Supermarkt in Wien: Von der Decke baumeln Schilder mit Angeboten, in großen Metallkörben türmen sich Schachteln mit Weihnachtsbäckerei, an Vitrinen signalisieren bunte Kleber, dass etwas billiger ist. Die Motoren der Kühlanlagen brummen, im Hintergrund rieselt musikalisch leise der Schnee.

Im alltäglichen Getümmel zückt Karoline ihr Smartphone. Auf Zehenspitzen schiebt sich die zierliche 22-Jährige an einem Pappaufbau vorbei und versucht, vor einem Regal zu erspähen, was sich oberhalb ihrer Augenhöhe abspielt. Geht in die Knie und fotografiert. Ein paar Meter weiter wiederholt sich die Szene.

Als Scout unterwegs

Was die Architekturstudentin auf ihrer Pirsch interessiert, sind die Produkte eines Tiefkühlkostherstellers. Wo genau im Supermarkt befinden sie sich? Sind sie auf Augenhöhe eingeschlichtet oder weit unten, wo sie kaum sichtbar sind? Und wie sieht es mit Aktionen aus? Sind sie deutlich gekennzeichnet? Karoline ist als sogenannter Scout in verschiedenen Supermärkten unterwegs. Einer von 4000, die das Berliner Start-up Pospulse in Österreich beschäftigt, 45.000 sind es in Deutschland. In ganz Europa schwärmen 150.000 für das Berliner Unternehmen aus und sammeln Daten – im Auftrag etwa von Markenartikeln wie Ottakringer, Vöslauer oder des Tiefkühlkostherstellers.

Was diese interessiert, liegt auf der Hand: Marketingaktionen sind teuer und deshalb genau durchgeplant. Ob sie vor Ort auch so umgesetzt werden, wie es sich die Marketingleute ausdenken, will Pospulse beantworten. Schneller und billiger als die klassischen Marktforscher. Mit 5000 Euro schlägt bei Pospulse ein Standardpaket zu Buche. Und was sagt der Handel dazu, dass Privatpersonen quasi unerkannt ihre Märkte ausspionieren? Bei Rewe heißt es, man habe nichts dagegen. "Als Kontrollor des Handels sehen wir uns ohnehin nicht, eher als Partner", sagt Pospulse-Sprecherin Elena Bergmann.

Realitätscheck

Gabriele Grossberger, Marketingchefin von Ottakringer, hat die Sache ausprobiert: "Das ist ein Blick von Endkonsumenten, die einen Realitätscheck machen und nichts beschönigen. Eine Supermomentaufnahme." Pospulse braucht dafür die Masse: Jeder, der ein Smartphone hat, kann mitmachen. Man muss sich nur die App herunterladen. Die spuckt vorgegebene Fragen aus, die die Shoppingdetektive beantworten. Zwischen sechs und zwölf Euro bekommen sie je abgearbeiteten Auftrag, der zwischen fünf und zehn Minuten dauert. Fahrtkostenersatz oder Spesen gibt es nicht.

Mikrojobs nennen Kritiker diese Art von Beschäftigung. Wie viele solcher Plattformarbeiter es gibt, kann man nicht genau sagen. "Die Zahl ist auf keinen Fall irrelevant", sagt AK-Expertin Sylvia Kuba. Die Nutzer erbringen eine Dienstleistung für ein Unternehmen und werden mit einem Hungerlohn abgespeist, ganz zu schweigen davon, dass Arbeitsstandards unterlaufen werden, lautet die Hauptkritik.

Karoline fühlt sich nicht ausgebeutet oder als digitale Sklavin, wie sie sagt. Ihr mache das Spaß. Ein paar Mal pro Monat macht sie die Runde durch einen Supermarkt. Rund 40 Euro kommen so zusammen. "Ein kleines Taschengeld." Wie ihr die Pizzaverpackung gefällt, beantwortet sie mit: "Ganz gut." Und auf die Frage, ob die Bezahlung okay sei, tippt sie ohne zu zögern ja ein. (Regina Bruckner, 5.1.2017)