Wien – Ein großer Anhänger der Russland-Sanktionen durch die EU war die rot-schwarze Regierung nie. "Österreich ist gegen eine Verschärfung oder Verlängerung dieser Einschränkungen", deponierte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) noch im November. Auch Ex-Bundespräsident Heinz Fischer versicherte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im April 2016 in Moskau, er würde eine "schrittweise Aufhebung" begrüßen.

In Brüssel trug Österreich bisher aber alle Beschlüsse mit. Erst wenige Tage vor Weihnachten wurden die Wirtschaftssanktionen um weitere sechs Monate bis 31. Juli 2017 verlängert. Auch Russland ist bisher von seinen Gegenreaktionen nicht abgerückt.

Heinz Fischer ließ sich im April trotz Sanktionen nicht von einem Besuch bei Wladimir Putin abhalten.

Exporteinbruch

Von heimischen Wirtschaftsvertretern wurde diese Politik stets wegen der negativen Folgen für die Unternehmen kritisiert. So sind die österreichischen Exporte nach Russland von 2014 auf 2015 um fast 40 Prozent eingebrochen.

Eine neue Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) zeigt nun aber, dass die Handelsbeziehungen zwischen Russland und den EU-Staaten auch ohne die Sanktionspolitik massiv gelitten hätten. Grund dafür ist vor allem, dass die russische Wirtschaft infolge des Ölpreisverfalls stark zu schwächeln begann und es beim Rubel zu einer massiven Abwertung kam. Dadurch verteuerten sich die Importe aus dem Ausland, worunter das Geschäft mit anderen Staaten erheblich litt.

Der tatsächliche Schaden

Mit komplexen ökonometrischen Modellen hat das Wifo diese Effekte erstmals herausgerechnet und ermittelt, wie hoch der Schaden war, der direkt auf die Sanktionen und Gegensanktionen zurückgeht. Für Österreich zeigt sich dabei: Die Wirtschaftsleistung ist wegen des Handelskriegs im Jahr 2015 um 550 Millionen Euro niedriger ausgefallen, rund 7.000 Arbeitsplätze sind weggefallen.

In Deutschland, Österreichs wichtigstem Handelspartner, lag der Schaden bei etwas über sechs Milliarden Euro beziehungsweise 97.000 Beschäftigungsverhältnissen. Für die EU-27 (die Daten sind ohne Kroatien) hat das Wifo einen Einbruch der Wirtschaftsleistung um 17,6 Milliarden Euro ermittelt. Dadurch sind fast 400.000 Jobs verlorengegangen, wie diese Grafik zeigt.

Der Lage geschuldet

Die Folgen sind also durchaus beträchtlich. Und dennoch zeigt die Studie, die im Auftrag des Wirtschaftsministeriums durchgeführt wurde: Der überwiegende Teil des Schadens ist der allgemeinen wirtschaftlichen Situation in Russland geschuldet. In Österreich gehen nur 36 Prozent des Exportausfalls am russischen Markt auf die Sanktionen zurück, für die gesamte EU liegt der Anteil bei 44 Prozent.

Oder anders ausgedrückt: Die europäischen Betriebe hätten auch dann einen Exporteinbruch von rund 22 Milliarden Euro zu verzeichnen gehabt, wenn die europäische Politik nie mit Strafmaßnahmen gegen Russland begonnen hätte.

Einfuhrverbote für Lebensmittel

Wobei die Handelsbeschränkungen ohnehin von russischer Seite konkreter sind. Zur Erinnerung: Die EU hat im Zuge des Ukraine-Konflikts zunächst auf "weiche" Sanktionen gesetzt, es wurden also Vermögen eingefroren und die Reisefreiheit bestimmter Personen eingeschränkt.

Nach dem Abschuss des MH17-Fluges wurden die Sanktionen dann ausgeweitet. Seither wurden die Refinanzierungsmöglichkeiten von russischen Finanz- und Industriekonzernen eingeschränkt. Direkte Export- und Importverbote gibt es von EU-Seite eigentlich nur für Waren, die auch militärisch genutzt werden können ("Dual-Use-Güter") sowie für Spezialmaterial für Ölbohrungen.

Umgekehrt beziehen sich die russischen Gegensanktionen auf Lebensmittel und landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Europäischen Union, die nun nicht mehr importiert werden dürfen. Putin erklärte im November, man werden an den Einfuhrverboten möglichst lange festhalten. (Günther Oswald, 5.1.2017)