Wien – Im Kampf gegen die Finanzpolizei haben einige Glücksspielbetreiber rechtliche Siege errungen. Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Oberösterreich hat in den vergangenen Tagen mehrere Beschlagnahmungen und Geldstrafen gegen Automatenbetreiber aufgehoben. Begründung: Das Glücksspielmonopol diene der Steuermaximierung statt dem Spielerschutz und sei daher EU-rechtswidrig.

Das juristisch Brisante an den bisher 23 Entscheiden des Landesverwaltungsgerichts ist, dass diese nach den höchstgerichtlichen Erkenntnissen zum Glücksspielgesetz (GSpG) erfolgt sind. Sowohl Verwaltungs- als auch Verfassungsgerichtshof (VfGH) erachten das Glücksspielgesetz für EU-rechtskonform, der VfGH-Spruch erging Mitte Oktober 2016. In der Folge schloss sich auch der Oberste Gerichtshof (OGH) der Rechtsansicht der Verfassungs- bzw. Verwaltungsrichter an.

Anderer Meinung

Dennoch sind manche Gerichte in Österreich anderer Meinung und brachten das ganze vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Erst im November, also nach dem VfGH-Erkenntnis, riefen das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und das Landesgericht Korneuburg das EU-Gericht an, weil sie massive Zweifel an den österreichischen Regelungen haben. Das LG Korneuburg stellte dem EuGH gleich acht Fragen, Probleme sieht es etwa bei den unterschiedlichen Schutzbestimmungen im Automatenspiel und bei der Konzessionsvergabe. Weiters ist beim EuGH eine ältere Rechtssache aus dem Jahr 2015 anhängig; Anlassfall ist ein Strafverfahren gegen einen Automatenbetreiber, ein Urteil wird für den Februar oder März erwartet. In der Vergangenheit hat der EuGH bereits mehrfach das österreichische Glücksspielgesetz gerüffelt, es musste repariert werden.

Auch am neuen Gesetz lässt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in seinen aktuellen Erkenntnissen – das älteste datiert vom 22. Dezember 2016 – aber kein gutes Haar. Der Richter findet, dass das Monopol nicht gerechtfertigt sei. Der Bund habe vordergründig die vielen Steuern im Sinn, die ihm das Zocken einbringt, nicht den Schutz der Spieler. Allein dem Bund erwüchsen aus dem Monopol jährlich Einnahmen von mehr als einer halben Milliarde Euro. "Dies entspricht einem Anteil von 0,4 Prozent an den jährlichen Gesamteinnahmen dieser Gebietskörperschaft und stellt sohin keineswegs eine vernachlässigbare oder gar verzichtbare Quote dar", heißt es einem der LVwG-Erkenntnisse, das vorliegt.

Privatisiertes Glücksspiel

Dazu komme, dass der Staat das Glücksspielangebot vollständig privatisiert habe, "sodass ihm aus der diesbezüglichen unternehmerischen Tätigkeit nicht nur keine Kosten erwachsen; vielmehr trifft dieser Aufwand, die bereits angeführte hohe Abgabenquote und die mit der Konzessionserteilung verbundene exorbitant hohe Gebührenlast die Konzessionäre, die in der Folge zudem in einem nicht unerheblichen Ausmaß auch noch aus eigenem die gesetzlichen Spielerschutz- und Suchtpräventionsmaßnahmen zu finanzieren haben."

Spielerschutz, Suchtprävention und Kriminalitätsbekämpfung stellten hingegen "keine vordringlichen Staatsaufgaben" dar, diese seien bloß ein Vorwand, um das Monopol beibehalten zu können und der EuGH-Judikatur Genüge zu tun.

Nicht nur das Monopolsystem verstoße gegen die EU-Dienstleistungsfreiheit. Auch die Eingriffsbefugnisse von Finanzämtern und Finanzpolizei gingen viel zu weit, da für Beschlagnahmungen, hohe Geldstrafen oder Betriebsschließungen nicht einmal eine richterliche Erlaubnis nötig sei. Dies sei nicht nur verfassungsrechtlich "höchst bedenklich", sondern widerspreche auch der Grundrechtecharta der Europäischen Union.

Aus all diesen Gründen dürfe das österreichische Gesetz nicht angewendet werden, Strafen gegen Automatenbetreiber seien also aufzuheben.

Außerordentliche Revision

Die Erkenntnisse des LVwG betreffen sowohl beschlagnahmte oder abtransportierte Glücksspielautomaten als auch teils empfindlich hohe Verwaltungsstrafen gegen die Betreiber, so Anwalt Fabian Maschke, der zahlreiche Automatenbetreiber vertritt.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) ist nicht zulässig, da nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts keine grundsätzlichen Rechtsfragen zu klären sind. Möglich ist also nur eine außerordentliche Revision – "da sinken die Chancen auf unter fünf Prozent", meint Maschke.

Wilfried Lehner, der Chef der Finanzpolizei, geht davon aus, dass eine außerordentliche Revision eingebracht wird. Das sei in der Vergangenheit "immer wieder gemacht und zu unseren Gunsten entschieden worden".

Anwalt Maschke spricht von einer paradoxen rechtlichen Situation. Für die Betreiber, die sich gegen Maßnahmen der Finanz wehren, komme es nun einzig darauf an, welchen Richter sie erwischen. "Entweder die Strafen werden nicht exekutiert oder, wenn sie zu einem anderen Richter kommen, werden sie exekutiert und wenn sie nicht zahlen können, müssen sie ins Gefängnis."

Bundeslizenzen

In Österreich ist das Automatenspiel in den Vollcasinos sowie den WINWIN-Spielhallen der teilstaatlichen Casinos Austria erlaubt – dafür gibt es Bundeslizenzen. Weiters können sich Bundesländer aussuchen, ob sie Automatensalons zulassen und entsprechende Lizenzen vergeben. Einige Bundesländer haben das getan, die meisten Konzessionen hat der niederösterreichische Novomatic-Konzern inne. Außerhalb der konzessionierten Spielstätten sind einarmige Banditen verboten. Manche Automatenbetreiber ohne Konzession lassen ihre Geräte aber stehen, sie argumentieren, dass die gesamte Glücksspielregelung nicht EU-rechtskonform sei und ihnen das Zocken daher nicht verboten werden dürfe. Zahlreiche Finanzpolizei-Razzien hatten Anzeigen etwa wegen Amtsmissbrauchs zur Folge. Die Betreiber monierten das aus ihrer Sicht brutale Vorgehen der Beamten, die Beamten wiederum sahen sich mit einbetonierten oder Reizgas sprühenden Automaten konfrontiert.

Finanzpolizei-Chef Lehner kann die Kritik an den Befugnissen seiner Behörde nicht nachvollziehen. Erstens habe die Finanzpolizei auch in "unzähligen anderen" Bereichen Befugnisse wie das Betreten von Räumlichkeiten. Zweitens benötigten Kontrollbehörden immer Berechtigungen – "wenn es genügt, dass ich die Tür zusperre, wäre das nicht sehr effektiv".

Im Glücksspielbereich, so Lehner, gebe es mehr Verfahren als in anderen rechtlichen Gebieten. Offensichtlich sei da das wirtschaftliche Interesse groß. Selbst wenn der EuGH "irgendeine Bestimmung als problematisch" erachte, "würde das nicht bedeuten, dass das gesamte Glücksspielgesetz nicht anzuwenden ist", sagte der Chef der Finanzpolizei. Im APA-Gespräch verwies er weiters auf die einheitliche Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte. (APA, 4.1.2017)