Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unter Druck.

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In Israel gehören Ermittlungen gegen Politiker beinahe schon zum Alltag, aber wenn es um einen Premier geht, noch dazu um einen derart dominanten wie Benjamin Netanjahu, dann überschlagen sich Debatten und Spekulationen. Am Montagabend besuchte die Polizei den Premier in seiner Residenz in Jerusalem, um ihn erstmals als Verdächtigen zu verhören. Es handelt sich um ein schwieriges Verfahren, weil die Ermittler den Verdächtigen eben nicht vorladen können, sondern bei ihm auf einen Termin warten müssen; man will ihn ja nach Möglichkeit nicht beim Regieren behindern.

Schon seit Monaten läuft eine Voruntersuchung, die Anfang Dezember zu einer formellen Strafermittlung "aufgewertet" worden sein soll, wozu Generalstaatsanwalt Avichai Mendelblit, zugleich "Rechtsberater der Regierung", seine Zustimmung gegeben haben muss. Das deutet darauf hin, dass die Polizei einiges in der Hand hat. Allerdings gab es zunächst keine offizielle Verlautbarung darüber, was Netanjahu vorgeworfen wird.

Gerüchte um US-Milliardär Lauder

Durch die Medien schwirrten viele Gerüchte. Demnach werden parallel zwei verschiedene Fälle untersucht. Generell soll es um den Verdacht der Annahme großer Summen von befreundeten Geschäftsleuten gehen. Ein Name, der genannt wurde, ist der des US-Milliardärs Ronald Lauder. Unklar ist, ob Netanjahu auch angelastet wird, Gegenleistungen erbracht zu haben – was den sehr schwerwiegenden Tatbestand der Bestechungsannahme erfüllen würde. Obwohl oder gerade weil Polizei und Staatsanwaltschaft fast nichts durchsickern ließen, hieß es, die Ermittler hätten Informationen, mit denen sie Netanjahu völlig überraschen wollten.

Netanjahu gab sich gelassen: "Da wird nichts sein, weil da nichts ist." Aus seinem Umfeld hieß es, Netanjahus Gegner versuchten immer wieder, ihn in Schwierigkeiten zu bringen. "Versucht den Premier durch den Stimmzettel auszutauschen, wie in einer Demokratie üblich", schrieb Netanjahu auf Facebook. "Netanjahu muss aufhören, sich wie ein Opfer zu benehmen und die Medien und die Gesetzeshüter zu attackieren", kommentierte die oppositionelle Ex-Justizministerin Zipi Livni. Wirbel wegen möglicher Verfehlungen Netanjahus und seiner Frau Sara hatte es immer wieder gegeben, meist ging es um die Haushaltsausgaben.

Netanjahus Vorgänger Ehud Olmert hatte 2008 wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten müssen und sitzt jetzt im Gefängnis. Davon, dass auch Netanjahu etwa zum Rücktritt gezwungen sein und angeklagt würde, ist man allerdings noch weit entfernt. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, 2.1.2017)