Wien – Bereits am dritten Tag des österreichischen Vorsitzes in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) reist Außenminister Sebastian Kurz in die Ostukraine. Kurz will sich am Dienstag und Mittwoch vor Ort ein Bild von der Lage im Kriegsgebiet machen, bevor er Mitte Jänner zu Gesprächen mit dem ukrainischen Außenminister Pawlo Klimkin und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zusammentrifft.

Der zweitägige Besuch in der Ostukraine habe auch "eine hohe Symbolkraft", sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Montag dem STANDARD: "Er ist ein Zeichen dafür, dass der Ukraine-Konflikt auf der Tagesordnung des österreichischen OSZE-Vorsitzes ganz oben steht."

Kurz wird unter anderem nach Mariupol fahren, wo die Frontlinie des Kriegs zwischen ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten verläuft und wo ein Teil der OSZE-Beobachtermission sich täglich um die Einhaltung der im Minsker Abkommen beschlossenen Waffenruhe bemüht. Auch der Besuch eines Übergangs an der sogenannten Kontaktlinie zwischen beiden Seiten steht auf dem Programm.

Beratungen mit hochrangigen Diplomaten

Im Vorfeld seines Treffens mit Klimkin und Lawrow möchte sich der neue OZSE-Vorsitzende außerdem mit zwei hochrangigen – und mit der Sachlage bestens vertrauten – Diplomaten beraten: mit dem Österreicher Martin Sajdik, seines Zeichens Ukraine-Sondergesandter der OSZE, und mit dem türkischen Diplomaten Ertugrul Apakan, dem Chef der OSZE-Beobachtermission vor Ort (Special Monitoring Mission to Ukraine, kurz SMM).

Seit Ausbruch der Kämpfe im April 2014 sind in dem Konflikt bereits mehr als 10.000 Menschen getötet worden, mehr als 2.000 davon waren laut UN-Angaben Zivilisten. Bisher hat Österreich diverse Projekte zur Unterstützung der notleidenden Bevölkerung mit 3,8 Millionen Euro mitfinanziert, heißt es im Wiener Außenministerium. Bei seinem Besuch am Dienstag und Mittwoch wolle sich Minister Kurz auch von diesen Projekten einen Eindruck verschaffen.

Zugehen auf Russland

Kurz hatte schon vor Übernahme des OSZE-Vorsitzes angekündigt, an der Wiederherstellung des ramponierten Vertrauens zwischen dem Westen und Russland arbeiten zu wollen. Er wolle dabei auch auf Russland zugehen. Ohne Moskau gebe es keinen Frieden in Europa, so der Außenminister. Sollte es Fortschritte im Ukraine-Konflikt geben, kann Kurz sich auch eine schrittweise Lockerung der EU-Sanktionen gegen Russland vorstellen.

Aus Regierungskreisen in Moskau kamen bereits wohlwollende Töne: Österreich habe als neutrales Land "eine einmalige Chance", eine zentrale Rolle in der europäischen Politik zu spielen. In Kiew indes befürchtet man offenbar allzu große Nachsicht gegenüber Russland. Mit Blick auf die Annexion der Krim und das Engagement Moskaus in der Ostukraine verwies der ukrainische Außenminister Klimkin beim OSZE-Jahrestreffen Anfang Dezember auf die Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen, die ein Grundwert der OSZE sei. (Gerald Schubert, 2.1.2017)