Ein Absperrband trennte Frauen und Männer bei Demo für Aleppo in Bregenz.

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Bregenz – Türkisch-nationalistische Kundgebungen sind in Vorarlberg keine Seltenheit. Immer wieder rufen türkisch-islamische Vereine zu Demonstrationen auf, vorgeblich zur Unterstützung von Kriegsopfern im Nahen Osten. Demosprache ist üblicherweise Türkisch, für Gebete auch Arabisch.

Im Dezember luden vier türkische und eine bosnische Organisation zur Demonstration für die Menschen in Aleppo ein. Sie hätten damit syrische Menschen in Vorarlberg, die als Flüchtlinge keine Demonstrationen anmelden dürfen, unterstützt, sagten die Veranstalter.

Frauensektor bei der Demo

Was Demonstrationsteilnehmerinnen aus der Vorarlberger Friedens- und Grünenszene noch mehr als die üblichen türkischen Fahnen irritierte, war die Geschlechtertrennung bei der Kundgebung. Frauen bekamen einen durch ein Absperrband gekennzeichneten Sektor zugewiesen.

Grünen-Klubobmann Adi Gross, selbst Demoteilnehmer, reagierte mit einem offenen Brief an die Veranstalter, adressiert an Evren Akkuş, den Vorsitzenden der UETD Vorarlberg. Die Union Europäisch-Türkischer Demokraten – sie gilt als Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei AKP – hatte gemeinsam mit Atib, der größten muslimischen Organisation in Österreich – ebenfalls mit besten Verbindungen zur türkischen Regierung –, zur Demo aufgerufen.

Weitere Demoveranstalter waren die rechtsnationalen Organisationen AIF ( Österreichische Islamische Föderation) und ATF (Türkische Föderation in Österreich), die Bosniakisch-Muslimische Gemeinschaft (BMZ) und laut Akkuş auch die syrische Community, die es aber als definierte Gruppe in Vorarlberg nicht gibt.

Kriegsopfer als Vorwand für politische Zwecke

Gross warf den Veranstaltern in seinem offenen Brief vor, die Mitveranstalter aus dem türkisch-nationalistischen und konservativ-islamischen Bereich hätten die Kriegsopfer für ihre Ziele instrumentalisiert.

Die bei der Kundgebung verfügte Trennung in Männer und Frauen sei unerträglich gewesen, so Gross. Er ortete "eine Provokation gegen die Gleichheit der Geschlechter", die Kernbestand einer modernen, aufgeklärten Demokratie sei. Gross: "Damit stoßen die türkischen Organisationen den Menschen vor den Kopf."

Totengebet als Grund für Frauenausschluss

UETD-Funktionär Evren Akkuş reagierte sauer und schickte Gross eine schriftliche Antwort im Namen aller Veranstalter, auch der nebulosen syrischen Community. Die Veranstalter, aus seiner Sicht alles NGOs, hätten ihre gemeinsame Solidarität für Menschen in Not bekundet.

Er stelle sich die Frage, warum man aus der Anzahl türkischer Fahnen einen Bezug zum Nationalismus herstellen könne, schrieb Akkuş und betonte, dass "sehr wohl österreichische, syrische, bosnische und palästinensische Fahnen zu sehen waren".

Für die Geschlechtertrennung hatte Akkuş eine einfache Antwort: das islamische Totengebet. Dessen "Art der Ausführung ist unbestreitbar". Weiter gingen die Veranstalter auf die Kritik von Gross nicht ein.

Vorwurf des Islam-Bashings

Akkuş warf im Gegenzug Gross vor, die Trauerdemo für Islam-Bashing zu missbrauchen, und stellte dem Grünen die Fragen: "Haben nun auch Sie Angst vor dem Volk mit Migrationshintergrund? Welcher Agenda folgen Sie inzwischen? Wir hätten von einem Grünen-Abgeordneten wie Sie erhofft, dass er verschiedene Kulturen und Religionen zumindest versucht zu verstehen."

Auf den Vorschlag der Grünen, für künftige Friedens- und Solidaritätsdemos die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Flüchtlingshilfevereinen oder Amnesty International zu suchen, reagierten die Kritisierten mit Gegenkritik: "Als eine im Landtag vertretene und Parteiförderung erhaltende Partei sollte es für Sie selbstverständlich sein, den ersten Schritt nicht von freiwillig organisierten Vereinen zu erwarten. Wieso haben Sie diesen bisher nie gewagt? Wir wissen ganz genau, mit wem Sie bereit sind zu kooperieren und mit wem nicht."

Über die Unterstützung engagierter Bürgerinnen und Bürger freue man sich, sei zur Zusammenarbeit bereit, versicherten die Demoveranstalter.

Zivilgesellschaft ist gefragt

Es ist zu befürchten, dass auch 2017 Anlässe für Friedens- und Solidaritätskundgebungen gegeben sein werden. Es liegt nun an der Zivilgesellschaft und den Vorarlberger Parteien, das Feld nicht islamischen Fundamentalisten und türkischen Nationalisten zu überlassen.

Und an den Behörden, genau hinzuschauen und hinzuhören. Da es an Türkisch und Arabisch sprechenden Personal bei der Polizei mangelt, dürfte es weiter schwierig bis unmöglich bleiben, antidemokratische, diskriminierende oder verhetzende Ansprachen und Parolen zu erkennen und entsprechend zu ahnden. Umso wichtiger wird die engagierte Intervention der Zivilgesellschaft für das demokratische Miteinander werden. (Jutta Berger, 2.1.2017)