Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil zur Terrorgefahr: "Ich glaube nicht, dass wir jetzt das Ziel Nummer 1 sind, aber ein gewisses Gefährdungspotenzial besteht."

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Wien – Im Herbst der Öffentlichkeit vorgestellt, harrt das Sicherheitspaket der Regierung für Krisen nach wie vor der Umsetzung. "Ich hoffe, dass wir das mit allen Facetten im ersten Halbjahr über die Bühne kriegen", kündigte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil am Sonntag an. "Es gibt die Terrorsituation in Europa, und Österreich ist mitten in Europa", meinte Doskozil (SPÖ) zur heimischen Sicherheitslage nach dem jüngsten Terroranschlag in Berlin. "Ich glaube nicht, dass wir jetzt das Ziel Nummer 1 sind, aber ein gewisses Gefährdungspotenzial besteht."

Man dürfe die Bevölkerung nicht verunsichern, er glaube schon, dass es wichtig sei, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Gleichzeitig müsse sich jeder bewusst sein, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. "Wir müssen uns dieser Situation stellen und es darf nicht sein, dass das zur Normalität wird und dass man das so hinnimmt", befand der Minister. "Es ist auf jeden Fall wichtig, dass wir uns europäisch besser vernetzen." Es gehe darum, dass die Informationen zwischen den Auslandsnachrichtendiensten besser fließen und diese sich besser aufeinander abstimmen – das sei ein "wesentlicher Faktor".

Hand in Hand mit Rechtsschutz

Auch mehr Überwachung der Bürger kann sich Doskozil vorstellen: Es werde sicher in den nächsten Wochen Gespräche mit dem Innenministerium geben. Er glaube schon, dass man, wenn man "gewisse Instrumente benötigt, um sich besser vorzubereiten, um auch vielleicht im Vorfeld effizienter zu sein", es sicherlich notwendig sein werde, in diesem Bereich, auch wenn es um die Frage des Datenschutzes gehe, "den ein oder anderen Schritt zu machen". Allerdings immer Hand in Hand mit dem Rechtsschutz, betonte der Minister.

Der jüngste Terroranschlag in Berlin wirft auch die Frage auf, was eigentlich aus den Plänen der Regierung rund um ein Sicherheitskabinett und eine stärkere Rolle des Bundesheers im Inland geworden ist. Das vereinbarte Paket solle "jetzt relativ rasch" verfassungsrechtlich umgesetzt werden, erklärte Doskozil. Dass es so lange dauert, rechtfertigte der Ressortchef damit, dass es sich um wesentliche Änderungen der Zuständigkeiten handle, die man "rechtlich korrekt" abarbeiten müsse. Man habe inzwischen interne Stellungnahmen eingeholt und es habe noch ein paar Ergänzungen gegeben, aber "die rechtlichen Texte liegen an und für sich vor" und man sei jetzt soweit, das ganze in der Regierung besprechen zu können. "Relativ zeitnahe" soll dann auch die Opposition in die Gespräche eingebunden werden, schließlich braucht es eine Verfassungsmehrheit. In ein bis zwei Monaten will der Minister das Paket "in den parlamentarischen Prozess bringen".

Hoffen auf die Grünen

Für die Verfassungsmehrheit will Doskozil auch schon gute Anzeichen haben, so gebe es bei den Grünen Ansprechpartner, die sich derartige Schritte in Kombination mit einem geänderten Rechtsschutz vorstellen könnten. Der Minister ist ebenfalls dafür, den Rechtsschutz des Ressorts auszulagern: die Kontrolle von Maßnahmen im Nachhinein ins Parlament, Bewilligungen im Vorhinein in eine unabhängige Behörde. Gerade vor dem Hintergrund der Terrorbedrohung sind laut Doskozil auch Investitionen in die Ausstattung des Heers "von besonderer Bedeutung".

Ein "Kurier"-Bericht, wonach das Heer 34 neue Mannschaftstransportpanzer "Pandur" um 105 Mio. Euro geordert hat, wurde bestätigt. Die Produktion erfolgt in Österreich u.a. durch GDELS-Steyr, der Zulauf zur Truppe ist ab 2018 geplant.

Das letzte Wort noch nicht gesprochen ist offensichtlich beim Wunsch von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), die in der Koalition festgelegten Obergrenzen für zugelassene Asylanträge ins Gesetz zu schreiben. Zuletzt ging ja das Fremdenpaket ohne eine solche Festschreibung in Begutachtung, weil sich die SPÖ sperrte. "Das werden wir noch einmal diskutieren, was die Intention dabei ist", erklärte Doskozil aber zum Wunsch des Koalitionspartners. Sein Ziel sei aber, die Obergrenze einzuhalten, und für die operative Ebene gebe es mit der Notverordnung jetzt schon "die entsprechenden Instrumentarien" wie Möglichkeiten für Zurückweisungen, zeigte er sich überzeugt.

Balkanroute soll zu bleiben

Gefragt nach einem Konzept, falls die Türkei den Flüchtlings-Deal mit der EU kündigt, verwies Doskozil auf eine eigene Initiative zum Außengrenzschutz. Ende Jänner, Anfang Februar werde es ein gemeinsames Treffen der Innen- und Verteidigungsminister der zentraleuropäischen Staaten und der Balkan-Staaten geben, wo man ganz konkret die Möglichkeiten einer gemeinsamen Außengrenzkontrolle definieren werde. Man werde "das rechtliche Korsett" für diese bilateralen Kooperationen definieren, auch welche Staaten welche Leistungen für den Bedarfsfall zur Verfügung stellen können – "mit dem Ziel, dass die Balkanroute zu bleibt". Die Initiative rührt laut Doskozil auch daher, dass die EU ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfe, etwa im Rahmen einer EU-Mission.

Ähnlich verhalte es sich mit der Verteilungsfrage. "Grundsätzlich und längerfristig wird man sich europäisch schon etwas überlegen müssen, weil ich schon davon ausgehe, dass bei großen Flüchtlingszahlen das Dublin-System an und für sich ein Denkfehler ist", meinte Doskozil. Denn es sei bei derart hohen Zahlen "unrealistisch", dass die Außengrenzstaaten alle Asylverfahren führen – "da muss sich Europa was überlegen". (APA, 1.1.2017)