Schon während der großen Fluchtbewegung im Jahr 2015 waren Betreuungsfirmen mit dabei. Hier ein ORS-Mitarbeiter beim Aufstellen eines Zeltes im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen.

Foto: APA/Techt

Wien – Der Plan, Betreuer in Bundesflüchtlingsquartieren künftig mit Befehls- und Zwangsgewalt auszustatten, um die Hausordnung durchzusetzen, hat unter Experten zu einer Kontroverse geführt. Wie der Standard berichtete, sieht der Begutachtungsentwurf des neuen Fremdenrechtsänderungsgesetzes eine solche Neuerung vor – unter Hinweis "auf Erfahrungen aus der Praxis".

Diese – so die Erläuterungen zum Entwurf – hätten gezeigt, dass "Unbefugte versuchen, die Betreuungseinrichtung zu betreten" oder dort angetroffen würden. Auch würden "Behältnisse oder Gegenstände (zB Alkohol, Waffen"), die per Hausordnung verboten seien, in die Betreuungsstellen mitgebracht. Doch die Betreuer könnten mangels Befugnissen bisher nichts unternehmen, "um Ordnung und Sicherheit sicherstellen zu können". Sie müssten erst die Polizei rufen.

"Maßhaltende" Befugnisse

Daher sollten die Betreuer – in den Flüchtlingsbundesstellen allesamt Mitarbeiter der auf Asylbetreuung spezialisierten Firma ORS – mit "maßhaltenden und eingeschränkten Befugnissen ausgestattet werden". Mit Rechten, wie sie bisher nur die Sicherheitsbehörden innehaben.

"Das wäre ein weiterer Schritt im Rahmen der schleichenden Auflockerung des staatlichen Gewaltmonopols", kritisiert der Psychiater und Menschenrechtsexperte Ernst Berger. Der Staat verabschiede sich von Aufgaben gerade in einer Zeit, in der Bürger ihm zunehmend Vertrauen entzögen – bis hin zu privaten Nachbarschaftspatrouillen: "Wir wissen nicht, wo der Endpunkt ist."

Jagdaufsicht, Sicherheitschecks...

"Solche Auslagerungen gibt es schon lange", erwidert der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Sie zögen sich von der Jagd- über die Straßenaufsicht zur Einlasskontrolle bei Gericht und Sicherheitschecks in Flughäfen hin zur (nach Kritik beschränkten) Übertragung von Betreuungsaufgaben an Securitys im Schubhaftzentrum Vordernberg – sowie dem jetzigen Plan.

"Man hat also Erfahrung damit, Entstaatlichung würde ich das nicht nennen", meint Funk. Auch bestehe Rechtsschutz: Gegen Handlungen Privater im Rahmen übertragener Befehls- und Zwangsgewalt könne man Maßnahmebeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erheben.

Securitys im Krankenhaus

Psychiater Berger beobachtet jedoch auch den Einsatz von Sicherheitsleuten andernorts mit Skepsis. Etwa in Spitalsambulanzen sowie auf Psychiatrien, wo es seit 2006 Securitys gibt. Diese dürften Patienten aber lediglich "kurzfristig festhalten", zu weiteren Handlungen sei nur das Pflegepersonal befugt. In Wiener Spitälern sei man daher jetzt dabei, Pflegenotteams aus den Reihen des Spitalspersonals zu gründen, die direkt eingreifen könnten.

Derlei Vorkehrungen seien nötig, meint Berger: "Es gibt mehr Aggressivität." Aber: Sie konfrontierten auch die vielen nicht aggressiven Patienten mit einem erkennbaren Ordnungsdienst. (Irene Brickner, 31.12.2016)