Wien – Es war eines der ersten Vorhaben nach seinem Amtsantritt: Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) kündigte eine umfassende Reform des Maßnahmenvollzugs – der Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher – an und setzte eine Expertenkommission ein. Rund drei Jahre später ist von seinem Ehrgeiz nicht mehr viel übrig.

Im kommenden Jänner sollen die Neuerungen nun zwar endlich präsentiert werden, in Justizkreisen wird allerdings nicht damit gerechnet, dass das geplante "Reförmchen" den Nationalrat passieren wird.

Scharfe Kritik

Eine der zentralen Forderungen von einst wird keinesfalls umgesetzt, das ist gewiss: "Wir werden die Voraussetzungen der Anlasstat, die notwendig ist, um überhaupt jemanden in den Maßnahmenvollzug zu überweisen, nicht hinaufschrauben", erklärte Brandstetter kürzlich im STANDARD-Interview. Darüber ärgern sich nun auch Grüne und Neos.

"Nicht nur, dass Brandstetter mit der Reform seit mehr als einem Jahr in Verzug ist, jetzt versucht er offenbar auch den Kern der notwendigen Reform des Maßnahmenvollzugs zu verwässern", sagt Neos-Justizsprecher Nikolaus Scherak Gespräch mit dem STANDARD. Er fordert, dass nur bei "Hands-On-Delikten", eine Unterbringung im Maßnahmenvollzug möglich ist, nicht aber wegen gefährlicher Drohung und Nötigung, die einen Großteil der Verurteilten darstellen würden.

Zahl steigt stetig

Ähnlich sieht es der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser. Er verweist auf das deutsche Modell, wo nur schwere Gewalt- und Sexualverbrechen im Maßnahmenvollzug betreut würden.

Aktuell befinden sich in Österreich 830 Personen im Maßnahmenvollzug, die Zahl steigt seit Jahren stetig an. Im Jänner 2000 waren beispielsweise noch 437 Menschen in solchen gesonderten Anstalten untergebracht. Der Maßnahmenvollzug gilt als härteste Sanktion und gehorcht einem anderen Prinzip als der Strafvollzug: Es geht nicht um das Verbüßen einer Strafe, sondern um den Abbau von krankheitsbedingter Gefährlichkeit. Die "Maßnahme" ist eine Haft ohne Limit.

Im deutschen Strafgesetz gibt es den Grundsatz, dass eine "Maßregel der Besserung" nicht angewendet werden darf, wenn sie "zur Bedeutung der vom Täter begangenen Tat" außer Verhältnis steht. In Österreich werden sehr wohl und immer häufiger auch weniger schwere Delikte wie eine gefährliche Drohung Auslöser für die Unterbringung im Maßnahmenvollzug.

Kritiker bemängeln, dass das teuer sei. Diese Ressourcen könnten ebenso für Resozialisierungsmaßnahmen eingesetzt werden. (Marie-Theres Egyed, Katharina Mittelstaedt, 29.12.2016)