US-Außenminister John Kerry kann sich noch so bemühen, die Motivation zu erklären, die vergangenen Freitag zur US-Stimmenthaltung – also Veto-Verzicht – bei Resolution 2334 im Uno-Sicherheitsrat führte: Die politischen Gründe, die Kerry in seiner Rede ausführte, werden von der Regierung von Benjamin Netanjahu nicht akzeptiert. Die amerikanische Kritik am jüdischen Siedlungsbau wird quasi zur persönlichen Obsession Kerrys erklärt. Was man in den einschlägigen Foren nicht nur über Präsident Barack Obama ("B Hussein O" genannt), sondern auch über "Kerrys kranke Seele" und seinen angeborenen Hang zum "Verrat" – sein jüdischer Großvater konvertierte zum Christentum – liest, schließt jede nüchterne Diskussion über das Für und Wider der israelischen Siedlungspolitik aus. Und das ist natürlich beabsichtigt. So muss man keine der Fragen, die Kerry stellt – vor allem wie sich eine demokratische und gleichzeitig jüdische Zukunft Israels mit der Aufgabe der Zweistaatenlösung und der Integration der Palästinensergebiete vereinbaren lässt –, ernsthaft debattieren.

Insofern war die Übung des Uno-Sicherheitsrats, der noch einmal an den – seit Jahrzehnten völlig unveränderten und in keiner Weise verschärften – rechtlichen Standpunkt der internationalen Gemeinschaft erinnerte, wahrscheinlich keine Wiederbelebung, sondern wohl eher ein Schwanengesang auf die Zweistaatenlösung. Zumindest auf jene, wie sich die amerikanischen Präsidenten vor Donald Trump – ja, auch George W. Bush – sie sich vorstellten, mit einem zusammenhängenden palästinensischen Territorium und einem Staat, der nicht sofort, aber nach und nach alle Eigenschaften bekommen würde, die ihn zu einem solchen machen.

Kerry wiederholte in seiner Rede die sattsam bekannten "Prinzipien" für einen israelisch-palästinensischen Frieden: Das ist etwas anderes als die "Parameter", wie sie manche für die letzten Tage der Obama-Präsidentschaft erwarteten, eine amerikanische Interpretation, wie diese Prinzipien konkret umzusetzen seien. In der Tat ist schwer vorzustellen, dass ein von beiden Seiten mitgetragener Friede nicht ausgehandelt, sondern von einer dritten Partei verordnet wird. Nur wird es solche Verhandlungen eben nicht geben. Und dass der Weg einseitiger Entscheidungen auch nicht funktioniert, sollte man seit dem israelischen Abzug aus dem Gazastreifen wissen.

Unilaterale Entscheidungen von israelischer Seite in der näheren Zukunft sind jedoch durchaus möglich: Die Forderungen von Ultrarechts nach einer Teilannexion des Westjordanlands werden lauter. Diese Entscheidungen werden international kommentiert und letztlich doch hingenommen werden, denn wie Premier Benjamin Netanjahu ganz richtig sagt: Israel ist ganz bestimmt nicht das Hauptproblem im Nahen Osten. (Gudrun Harrer, 29.12.2016)