Wien – "In zehn Jahren wird es in den Toplagen der Innenstädte keine Buchhandlungen mehr geben." Wilhelm Sotsas liebt Bücher. Seit mehr als 50 Jahren prägen sie sein Leben. Er verlegt sie im kleineren Stil, führte in Spitzenzeiten 17 Filialen und handelt mit Restposten. Nun, mit 72 Jahren, müsse er, wie er sagt, so schwer es ihm auch falle, die Reißleine ziehen. "Ich hätte nie gedacht, dass die Branche einmal in eine solche Schieflage geraten könnte." Eine Pleite, wie er rundum so viele erlebte, werde er sicher nicht riskieren – lieber also rechtzeitig reagieren.
Sotsas ist Eigentümer von Frick. Die Wurzeln der Traditionsbuchhandlung reichen in Wien bis Anfang des 18. Jahrhunderts zurück. Sotsas erwarb ihr Stammhaus am Graben Ende der 90er-Jahre aus dem einstigen Fundus an Medienbeteiligungen der SPÖ und baute den Betrieb zu einer kleinen Kette aus. Er kaufte frühere Amadeus-Filialen, erwarb von Andreas Tarbuk Prachner in der Kärntner Straße und führte in Meidling das in die Insolvenz gerutschte Bücherzentrum seines langjährigen Geschäftspartners Josef Peter Prinz weiter. "Ich habe klein begonnen und alle Gewinne wieder in den Buchhandel investiert." Jetzt aber legt er den Rückwärtsgang ein.
Frick schloss mit 24. Dezember die Filiale auf dem Wiener Keplerplatz. Ende Jänner sperrt das seit 85 Jahren bestehende, von Prachner um 1,6 Millionen Euro erworbene Geschäft auf der Kärntner Straße zu. Zuvor schon trennte sich Sotsas von zwei Standorten in der Wollzeile. Jener auf dem Praterstern ist seit längerem Geschichte.
Investor Al Wazzan am Zug
Die begehrte Lage in der Kärntner Straße ist nun in der Hand des Immobilieninvestors Jamal Al Wazzan, der dafür mehr als drei Millionen Euro auf den Tisch legt. Al Wazzan, der für ein Gespräch nicht erreichbar war, quartiert vorerst ein Souvenirgeschäft ein. Folgen soll ein Händler, der in der Lage ist, bis zu 40.000 Euro an Monatsmiete zu finanzieren. Mit Büchern freilich wird dies definitiv nicht gelingen.
Al Wazzan bemüht sich zudem um Frick am Graben. Das Haus gehört dem Versicherer Uniqa. Verhandelt wird um Ablöse und künftige Miete. Diese wird die Höhe der bisherigen – wie in diesen Lagen üblich – ums Zigfache übersteigen, womit sie für Buchhändler unerschwinglich ist. Auch die Filiale Meidling und das Salzburger Geschäft Höllrigl, das Sotsas gehört und 1594 gegründet wurde, ist auf dem Radar des Innenstadtinvestors.
Sotsas selbst betont, auf jeden Fall am Herzstück, Frick am Graben, festzuhalten. Wie viele Filialen er auf längere Sicht weiterführen werde, darauf will er sich angesichts des unsicheren Marktumfelds nicht festnageln lassen. "Ich hätte mir auch nie vorstellen können, auf dem Keplerplatz oder in der Wollzeile – Standorte, die sehr gut liefen – zusperren zu müssen."
"Nur noch in Nebenlagen"
Fünf Buchhandlungen tummelten sich 1992 allein am Graben. Heute ist Frick dort allein, dennoch halbierte sich der Umsatz des Stammhauses in den vergangenen 24 Jahren. In der Wollzeile hatten Leser einst zwischen 14 Händlern die Wahl. Eine Handvoll teilt sich nun das Geschäft.
"Buchhandel funktioniert heute nur noch in guten Nebenlagen. Dort, wo Inhaber persönlich drinstehen und sich ordentlich selbst ausbeuten", zieht Sotsas nüchtern Bilanz. Die Innenstadt habe sich stark verändert, erzählt seine Frau Lucia, die mit ihm das operative Geschäft führt. Die Wiener Kundschaft sei rar, Touristen gebe es reichlich, allein, sie kauften keine Bücher. Der Onlinehandel mache Konkurrenz, die Zahl der Leser werde insgesamt stetig kleiner.
Die Buchpreise steigen nur geringfügig, die Kosten für Personal und Raum legten in den vergangenen zehn Jahren um rund 40 Prozent zu. "Wir ziehen uns aus der Kärntner Straße nicht leichtfertig zurück", sagt Lucia Sotsas, "aber wir müssen uns davon trennen, um andere Filialen nicht zu gefährden."
Frick ist nicht der einzige seiner Branche, der sich verkleinert. Mit Ende Jänner schließt die von Ketten unabhängig geführte Buchhandlung Schottentor. Die Margen seien einfach zu gering, ist intern zu hören. Als Nachfolger sind Gastronomieanbieter wie Nordsee im Gespräch.
Kuppitsch wird Postpartner
Eine Bastion in Wiens Zentrum abseits größerer Händler wie Morawa und Facultas bleibt der Familienbetrieb Kuppitsch, der seit 1789 Bestand hat. Man habe im Laufe der Geschichte so viele Wirren überstanden und Kämpfe gewonnen, erzählt Geschäftsführer Michael Kratochvil, er werde daher alles dransetzen, damit der Betrieb weiterhin überlebe. Er ist überzeugt davon, dass Kunden bereit sind, die Vielfalt im Handel zu erhalten. "Viele Geschäfte müssen ihren Service jedoch erhöhen."
Kuppitsch etwa wird im neuen Jahr Postpartner. Rundum wurden drei Ämter aufgelassen. "Unsere Kunden sollen in einem Haus so viel wie möglich erledigen können", sagt Kratochvil. Künftig also können in dem seinen nicht nur Bücher gekauft, sondern auch Briefe und Packerl aufgegeben werden. (Verena Kainrath, 29.12.2016)