Balkansky, halbanonym.

Foto: privat

Weil am Ende jedes Jahres immer irgendwelche Listen von Personen oder Begebenheiten, komischer wie tragischer Natur, des verstrichenen Sonnenumlaufs unseres Planeten geführt werden, will auch ich eine solche erstellen. Meine Preisträger sind Menschen, die genuine Dummköpfe, Heuchler und Menschenfeinde sind. Aber – als Gegengewicht – auch ein Mensch, dessen Mut mich beeindruckt und den ich als Held bezeichnen will.

Der dumme, weiße Mann

Trump-bashing gehört nicht nur zum guten Ton, wenn man halbwegs links der Mitte steht. Es ist auch genauso einfach, wie beim Dieb von Ankara oder damals beim Dabbljuh-Busch. Weil es immer einfach ist, gewöhnliche Dolme zu entlarven.

Schwierig ist es nur dann, wenn der Dolm homosexuell, rhetorisch firm, intelligent und hübsch ist. So wie Milo Yiannopoulos. Er ist nicht nur der erste Mensch, der ein lebenslanges Twitterverbot erhält, sondern auch die Galionsfigur einer Szene, die nur schwer fassbar ist. Sie besteht aus jungen Konserven, die wie Milo Trump-Fans sind, vom Gendering, Feminismus und PC gar nichts halten und – MenschIn staune nicht schlecht – einem Segment der GLBT-Gemeinde. Milo nennt seine Vorlesungstour nicht nur "The Dangerous Faggot Tour", sondern er scheint vielen ein real gefährlicher homosexueller Demagoge zu sein.

Milos Lieblingsbeschäftigung ist das Entlarven von erfundenen Vergewaltigungen auf feministischen Plattformen. Weil er meint, Feminismus sei der neue Faschismus, nur dümmer. Und mit Frauen. In Vorträgen bringt er gern eine "Beweisführung", dass die "Black Lives Matter"-Bewegung das Opfernarrativ schamlos übertreibt, dass Muslime die schlimmsten, zeitgenössischen Homophobiker sind und dass sogenannte Liberale die Beulenpest der Gesellschaftspolitik sind.

Es gibt nur zwei Behauptungen des Milo Yiannopoulos, die ich für zutreffend halte. Forderungen von "social justice warriors" nach sogenannten "safe spaces" auf US-Universitäten, wo zu Halloween keine Köstüme getragen werden dürfen, die eine soziale, ethnische, kulturelle oder religiöse Gruppe (eventuell, vielleicht und möglicherweise auch nur) beleidigen könnten, sind ein Hirnriss. Und Organisationen zu betreiben wie "Queers for Palestine", wo solche Menschen ermordet werden und deswegen nach Israel fliehen*, ist ein Hirnriss der Sonderklasse.

Für den überwältigenden Rest seiner "Realität" verleihe ich Milo Yiannopoulos den "Silbernen Dolm des Jahres 2016". Aber seine Outfits sind spektakulär gut!

Kind? Welches Kind?

Es ist erst wenige Monate her und ein echter politischer und medialer Aufreger: In einem "zeitgeistigen" und dennoch "kritischen" Migrantenmedium, dessen Namen wir nicht aussprechen, packt die "Wutlehrerin TI" über die Zustände in ihrer Klasse aus.

Unter anderem schreibt sie: "Einer der Schüler schläft während des Unterrichts ein. Als er nach einigen Minuten von alleine aufwacht, frage ich ihn, warum er so müde ist. Er sagt mir, dass er jeden Tag um fünf Uhr aufstehen muss, um zu beten." Kaum jedoch deckt die wütende Lehrerin diesen lupenreinen Kindesmissbrauch (und andere Missstände) auf, zieht sie ihren letzten Text vor Veröffentlichung zurück, weil sie sich (und wohl auch ihre Wut) nicht für "politische Zwecke instrumentalisieren" lassen will.

Ich stelle eine einfache Frage: Und wo bleibt nun das müde Kind? Und all die anderen Kinder?

Die Antwort ist nüchtern und grausam: Das missbrauchte Kind wird seinem Schicksal überlassen, seine Lehrerin lässt es und die anderen Kleinen im Stich, damit ihr Text ja nicht für politische Zwecke instrumentalisiert wird. Dies ist eine Logik, die mir fremd ist. Und die jedem menschlichen Wesen fremd sein sollte. Wie viel, wie sehr, wie grausam soll auch nur ein einziges Kind leiden dürfen, damit selbsternannte Antifaschisten einander auf die Schultern klopfen können, weil sie dem berühmtesten Zahntechniker Österreichs, dessen Namen wir nicht aussprechen müssen, drei Stimmen Zugewinn verwehren. Auf Kosten von Kindern. Und alle applaudieren.

Meinen "Goldenen Dolm des Jahres 2016" bekommt daher nicht nur die "Wutlehrerin TI", sondern es bekommen ihn auch die "JournalistInnen" des Migrantenmediums. Weil ihnen in ihrer Selbstzufriedenheit nicht einfallen will, nach dem Schicksal des missbrauchten Kindes zu recherchieren, vielleicht sogar eine "follow-up story" zu schreiben oder sich auch nur peripher für diese Art Missbrauch journalistisch zu interessieren. Sondern dieses Kind genauso im Stich lassen wie die "Wutlehrerin TI", das Sozialamt und die Politiker. Meine letzte Frage lautet daher: Was seit ihr nur für Menschen?

Diesen Preis haben sich die Beteiligten redlich verdient. Applaus nicht. Und eine Quellennennung auch nicht, weil ich nicht will, dass mein Text für Zwecke von Dolmen instrumentalisiert wird.

Der Held und des Helden Mutter

Wie alle Mütter hat auch die Mutter von Hamed Abdel-Samad große Angst vor dem Heldentum ihres Sohnes. Sie bittet ihn, sein neues Buch nicht zu veröffentlichen, weil er sich dann mit Menschen anlegt, die Mord als Argument gegen Kritik anwenden. Und wie alle Mütter weiß sie insgeheim, dass heldenhafte Söhne nie auf ihre Mütter hören, und dass sie trotzdem hinter seiner Entscheidung stehen wird.

Das ist Heldentum im Doppelpack, weil Abdel-Samad seine Entscheidung, das Buch zu veröffentlichen, aus dem edelsten aller Motive trifft, die ein kritischer Geist haben kann: "Wenn ich einknicke, haben die Menschenhasser gewonnen." Aber Abdel-Samad ist auch mein Held, weil er dennoch Angst empfindet, was genau das Charakteristikum von Heldentum ist: Mut im Angesicht der Angst zu haben. Die öffentliche Besprechung seines neuen Buches am 27. Oktober 2015 in der Buchhandlung Moser ("Im Salon zu Gast") in Graz ist nur unter Polizeischutz und Anwendung von Metall- und Sprengstoffdetektoren möglich. Etwas, das in der Geschichte der Zweiten Republik so noch nicht vorgekommen ist.

Doch es gibt noch eine weitere Leistung, für die ich Herrn Abdel-Samad als Held empfinde: Er weiß um die Schwächen der Menschen und die böse Macht von Heilsdogmen, weswegen er stets sehr genau den Unterschied zwischen dem Dogma, den Exekutoren des Dogmas und den Opfern beider im Auge hat. Trotzdem (oder gerade deswegen) muss er nun unter Polizeischutz leben und seinem Beruf als Politologe und Publizist nachgehen.

Und weil kein mir bekanntes österreichisches Medium diesen Umstand als eine Katastrophe für die Meinungsfreiheit empfindet und darüber prominent berichtet, weil sich kein mir bekannter Politiker dazu auch nur leise äußert und weil der Polizeischutz wohl noch viele Jahre notwendig sein wird, verleihe ich Herrn Hamed Abdel-Samad meinen "Helden aus Platin mit goldenem Federkiel" für seinen Mut in Sachen Meinungsfreiheit.

Und seiner Mutter ebenfalls. Weil sie noch immer seine Mutter sein will.

Oberdolm Sabatina

Nach wie vor ist Frau James ganz oben auf meiner Dolm-Liste. Sie bringt einen Freund, der ein ehemaliger Massenmörder ist, in ein Studio und sagt allen Anwesenden und dem TV-Publikum zu Hause, dass ihr Freund ein ehemaliger Massenmörder ist.

Was Frau Sabatina James jedoch nicht einmal in einem Fiebertraum einfällt, ist der Gedanke, dass man Massenmörder besser nicht im Freundeskreis hat und dass Massenmörder nicht in einem TV-Studio sitzen sollten, sondern vor Gericht. In meiner Story vom Jänner 2016 verleihe ich Frau Sabatina James den "Eisernen Hirnriss mit Eichenlaub und Schwertern", weil ich kaum jemals Dümmeres und gleichzeitig so Beunruhigendes höre – das so fröhlich und selbstzufrieden gesagt wird. (Bogumil Balkansky, 29.12.2016)