Mit einer Freundin wie Alicia Johnson (Chloë Sevigny) an der Seite lässt es sich gut Heiratspläne schmieden: Kate Beckinsale macht sich wenig aus der Witwenrobe.

Polyfilm

Regisseur Whit Stillman bei der Arbeit.

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Wien – Die junge Witwe Susan Vernon (Kate Beckinsale), die sich nach dem Tod ihres Mannes auf dem Landsitz ihrer Schwägerin eingefunden hat, hält sich nicht lange mit Trauerarbeit auf. Lady Susan möchte möglichst bald einen neuen Ehemann finden – und zwar nicht nur für sich, sondern als Zugabe auch einen für ihre Tochter Frederica (Morfydd Clark). In Jane Austens erst 50 Jahre nach ihrem Tod erschienenem Frühwerk, dem Briefroman Lady Susan, sind bereits die typischen Motive der Autorin – deren Arbeiten in regelmäßigen Abständen als Literaturverfilmungen auftauchen – angelegt. Gefunden hat sie für Love & Friendship der US-Regisseur Whit Stillman.

STANDARD: Sie haben verschiedentlich erwähnt, dass Ihr Debütfilm "Metropolitan" von Austens "Mansfield Park" inspiriert war. Nun haben Sie einen ihrer Stoffe als Kostümdrama adaptiert. Erinnern Sie sich noch daran, wie Ihre Beziehung zu Austen begann?

Stillman: Durchaus, denn es war eine schlimme Erfahrung. Ich war damals im zweiten Studienjahr an der Universität und ziemlich deprimiert. Also beschloss ich, einige Monate in England zu verbringen. Dort schnappte ich mir ein Exemplar von Northanger Abbey. Ich verstand dieses Buch nicht, ich hasste es geradezu. Es war eine Parodie auf die Gothic novels, die ich nie gelesen hatte. Erst vor einigen Jahren, als ich mich Austen wieder zuwandte, stieß ich auf ihren unvollendeten Kurzroman.

STANDARD: Dieser hat, wie auch der ungleich bekanntere und mehrfach verfilmte "Gefährliche Liebschaften" von Choderlos de Laclos, die Form eines Briefromans. Erlaubte Ihnen der schmale Umfang des Werks größere Freiheiten, oder erschwerte das die Adaption?

Stillman: Beides trifft zu. Mir gefiel die Tatsache, dass die Vorlage ihre Fehler hatte und vergleichsweise unbekannt ist. Gleichzeitig war es gutes Material. Es ist allerdings schon eine Herausforderung.

STANDARD: War der Adaptionsprozess ein steter Fluss des Hinzufügens eigener Vorstellungen, oder gab es einen bestimmten Moment, in dem Sie instinktiv wussten, dass Sie das Richtige tun?

Stillman: Es gab sogar mehrere solcher Momente. Ich hatte bereits vor sechs Jahren eine Fassung fertig, die meinem Agenten sehr gut gefiel. Er witterte mit diesem Skript die Möglichkeit, bekannte Schauspielerinnen mit einem Marktwert für die Verfilmung gewinnen zu können. Er fand auch einen Produzenten in Großbritannien, aber ich dachte mir, wenn alle das Drehbuch in dieser – für mich noch nicht ausgereiften – Form gut finden, dann ist das eher ein schlechtes Zeichen. Ich drehte also erst einmal Damsels in Distress (Algebra in Love).

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STANDARD: Hatten Sie Zweifel, dass das von Ihnen geschriebene Material sich nicht mit dem Original von Jane Austen vertragen würde?

Stillman: Man hat immer Zweifel, zumal dies ja meine erste Adaptation von Fremdmaterial war. Beim ersten Ansatz konnte ich mich nicht stark genug vom Original lösen, und sie blieb sehr kalt. Die zweite Drehbuchfassung funktionierte auf einer emotionalen Ebene, hatte aber nicht mehr viel mit Austens Originaltext zu tun.

STANDARD:Nicht zu sehen sind im Film auch einige wichtige Ereignisse und Wendungen der Geschichte. Entsprang das der Idee, dass der Zuschauer ein Stück weit im Unklaren gelassen wird über den Charakter von Lady Susan?

Stillman: Dafür gab es verschiedene Gründe. Es gibt im Buch einige sehr komische Beschreibungen, wenn Lady Susan und ihre Freundin Alicia darüber reden, was sie tun wollen beziehungsweise was sie getan haben. Ich mag es, wenn der Zuschauer etwas erst nach und nach begreift – so erfahren wir hier etwa von Lady Susans Verlobung erst, nachdem sie bereits aufgelöst wurde.

STANDARD:Wie man dem Nachspann entnehmen kann, haben Sie die Geschichte nach dem Film in literarischer Form weiterverfolgt. Auch von Ihrer Komödie "The Last Days of Disco" (1998) haben Sie nachträglich eine Romanfassung vorgelegt.

Stillman: Der Ausgangspunkt war derselbe, aber die Erfahrungen beim Schreiben waren vollkommen unterschiedlich. Der Roman damals war sehr ernsthaft, dieser hier nahm immer mehr ironische Züge an. Den Titel Love & Friendship. In Which Jane Austen's Lady Susan Vernon Is Entirely Vindicated by Whit Stillman hatte ich schon, bevor ich das Buch schrieb. Lady Susan ist mit ihren Intrigen einfach ein so faszinierender Charakter, dass ich fand, sie habe noch eine zusätzliche Würdigung verdient. In Großbritannien ist das Buch im selben Verlag wie die Werke Jane Austens erschienen. So konnten wir ihren Text meiner Version als Anhang hinzufügen – und die Leser sich im direkten Vergleich ein besseres Bild machen. (Frank Arnold, 28.12.2016)