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Kapsch TrafficCom hat erst kürzlich vom Autobahnbetreiber Asfinag in einer europaweiten Ausschreibung neuerlich den Auftrag bekommen, auch in den kommenden Jahren die Technologie für die Lkw-Maut in Österreich zu liefern und das System zu warten.

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Georg Kapsch, Vorstandsvorsitzender von Kapsch TrafficCom und Präsident der Industriellenvereinigung.

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Seit 2007 beschäftigt sich Kapsch TrafficCom, das auf Autobahnmauten spezialisierte börsennotierte Unternehmen der Kapsch Gruppe, mit hochkomplexen Sicherheitslösungen für den Verkehr. Dass die im Zusammenhang mit autonomem Fahren dereinst so eine Bedeutung gewinnen würden, sei damals nicht abschätzbar gewesen, meint Unternehmenschef Georg Kapsch. In den urbanen Ballungsräumen spiele geschäftlich die immer lautere Musik. "Es gibt mehr Städte als bemautbare Autobahnen", meint Kapsch, der auch Präsident der Industriellenvereinigung ist.

STANDARD: Wie viel Zeit wenden Sie als Präsident der Industriellenvereinigung (IV) auf, wie viel als Vorstandschef für Kapsch TrafficCom?

Kapsch: Etwa halbe-halbe.

STANDARD: Was ist spannender?

Kapsch: Das eine ist mit dem anderen nicht vergleichbar. Im unternehmerischen Bereich bin ich wesentlich weniger abhängig von Entscheidungen anderer als in meiner Funktion als IV-Präsident. Da kann ich nur Vorschläge unterbreiten und argumentieren. Ich kann nicht erzwingen, dass die Politik amtshandelt. Als Unternehmer kann ich zwar nicht entscheiden, was meine Mitbewerber tun, wohl aber, was ich mache.

STANDARD: Beides ergänzt sich?

Kapsch: Es sind zwei unterschiedliche Aufgabenbereiche, die nichts miteinander zu tun haben, außer dass ich meine unternehmerische Erfahrung in das IV-Amt einbringe.

STANDARD: Manche sehen in der Maut eine moderne Form der Wegelagerei, in Kapsch TrafficCom den Steigbügelhalter, weil Technologielieferant. Und Sie?

Kapsch: Infrastruktur kostet Geld. Würden Ausbau und Erhalt des hochrangigen Straßennetzes aus dem Budget, also über Steuern finanziert, wäre das ungerecht. All jene, die die Infrastruktur nicht nützen, müssten trotzdem zahlen.

STANDARD: EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc will eine Vereinheitlichung der Mautsysteme?

Kapsch: Ich verstehe die Diskussion nicht. Es gibt schon lange eine Standardisierung in Europa, und die heißt TC 278. Die Mautsysteme arbeiten auf Basis der Mikrowellentechnologie, die Systeme sind technologisch interoperabel. Das Problem sind die Verträge dahinter. Wenn es so etwas wie das Roaming im Telekombereich gäbe, ginge das relativ einfach. Satellitenbasierte Systeme sind nicht standardisiert.

STANDARD: Wieso gibt es das nicht?

Kapsch: Weil Länder und Betreiber das zum Teil nicht wollen. Sie haben sich zumindest bisher gesträubt, die Bemautung aus der Hand zu geben. Das ändert sich langsam. Wer mit dem Lkw quer durch Europa fahren will, muss aber noch immer mehrere On-Board-Units mitführen. Das ließe sich ohne großen Aufwand ändern.

STANDARD: Was heißt für Kapsch TrafficCom der jüngst erfolgte neuerliche Zuschlag für die Lkw-Maut in Österreich durch die Asfinag?

Kapsch: Wir freuen uns sehr, dass wir unseren Heimmarkt verteidigt haben. Es zeigt auch, dass die Asfinag über viele Jahre mit unserer Leistungsfähigkeit und der des Systems sehr zufrieden war. Und es ist für alle im Unternehmen eine unglaubliche Motivation.

STANDARD: Die Mikrowelle bleibt das Maß aller Dinge?

Kapsch: Nicht unbedingt das Maß aller Dinge, es gibt ja verschiedene Ansätze. Welche Technologie sich besser eignet, hängt davon ab, wie viele Fahrzeuge wo bemautet werden. Gilt es, viele Fahrzeuge auf dem hochrangigen Straßennetz zu erfassen, ist die Mikrowellentechnologie eindeutig im Vorteil. Der Preis für ein Mikrowellenendgerät beträgt ein Zehntel bis knapp ein Zwanzigstel eines Satelliten-Endgerätes. Wenn hingegen das gesamte Straßennetz bemautet werden soll, ist klar, dass man ein Satellitensystem benötigt. Ich kann nicht das ganze Land mit Mikrowelleninfrastruktur zudecken.

STANDARD: Sie sagten einmal, ein Unternehmen müsse sich alle zehn, 15 Jahre neu definieren. Wie das?

Kapsch: Produktseitig kommt man sowieso nicht darum herum, aber auch strukturell sind immer wieder Anpassungen nötig. Das deshalb, weil sich die Geschäftsmodelle rasch ändern, jetzt noch schneller und dramatischer als früher.

STANDARD: Was heißt das für Ihr Unternehmen?

Kapsch: Wir sind gestartet als Lieferant von Mautsystemen für Autobahnen. Das haben wir ergänzt um Verkehrsleitsysteme für Autobahnen, Tunnels und Brücken. Weil Mautsystem und Verkehrsmanagement immer stärker zusammenwachsen, ist es logisch, auch Lösungen für intelligente Mobilität in der Stadt anzubieten. Seit 2007 beschäftigen wir uns auch mit Kommunikation zwischen Fahrzeugen sowie zwischen Fahrzeug und Infrastruktur. Wir waren damals zu früh dran.

STANDARD: Jetzt aber ist autonomes Fahren in aller Munde. Was nun?

Kapsch: Jetzt geht es um die Verbindung verschiedener Verkehrsträger in der Stadt – Individualverkehr mit öffentlichem Personennahverkehr, mit diversen Sharing-Angeboten und so weiter. Wir sind gerade dabei, das alles in eine Plattform zu integrieren.

STANDARD: Welche Rolle spielt dabei Schneider Transportation, das Unternehmen, das Sie im Frühjahr um 26 Millionen erworben haben?

Kapsch: Mit Schneider kommen wir stärker in die Städte. Wir haben die passenden Produkte, den Verkehr durchzulotsen – durch Steuerung von Ampelsystemen, Verkehrsinformationszentralen und anderes. Auch intelligente Parksuchhilfen sind ein Thema.

STANDARD: Eine gute Ergänzung zu Ihrer angestammten Produktpalette?

Kapsch: Nicht nur in puncto Technologie, sondern auch hinsichtlich des Marktes. Produkte lassen sich leichter entwickeln als Märkte.

STANDARD: Dieses Geschäft wächst?

Kapsch: Das ist unser Ziel. Um wie viel, lässt sich noch nicht sagen. Tatsache ist, es gibt mehr Städte als bemautbare Autobahnen. Daher sind wir überzeugt, dass genau diese Lösungen für Städte einen riesigen Markt darstellen.

STANDARD: Stehen größere Mautausschreibungen an?

Kapsch: Es gibt einige Projekte in Osteuropa, in Westeuropa zurzeit keines. Außerhalb Europas sieht die Lage wieder anders aus, dort werden in der Regel nur Konzessionen vergeben. In den USA beispielsweise gibt es nicht einmal auf Bundesstaatenebene ein einheitliches Mautsystem. Jede Autobahngesellschaft macht dort ihre eigene Ausschreibung.

STANDARD: Wie läuft das Geschäft für Kapsch TrafficCom heuer?

Kapsch: Grundsätzlich gut, wir haben aber hohe Integrationskosten durch Schneider Transportation. Die drücken das Ergebnis.

STANDARD: Wie stark?

Kapsch: Wir geben keine Prognosen.

STANDARD: Bis wann wird die Integration von Schneider Transportation geschafft sein?

Kapsch: Mit 1. April 2017. Wir haben uns ein Jahr Zeit gegeben, die Integration vorzubereiten. Das ist nötig, damit sich die zwei Unternehmenskulturen aneinander gewöhnen können.

STANDARD: Wie viel Mitarbeiter sind mit Schneider dazugekommen?

Kapsch: Etwa 900 Personen. Dazu noch rund 110 Millionen Umsatz. Das Ergebnis der Kapsch TrafficCom Transportation, also der einstigen Schneider-Sparte zeigt noch nicht die gleiche Performance wie die anderen Geschäftsbereiche der Kapsch TrafficCom. (Günther Strobl, 27.12.2016)