Der Verfassungsgerichtshof hat sich heuer nicht sehr beliebt gemacht. Mit der Aufhebung der Bundespräsidentenstichwahl vom 22. Mai hat das Höchstgericht dem Land und den beiden Kandidaten einen Wahlkampf beschert, der fast ein Jahr lang dauerte. Der Wahlsieger ist schließlich der Gleiche geblieben, im Jänner wird mit Alexander Van der Bellen das erste Mal ein Kandidat angelobt werden, der nicht aus den Reihen der Regierungsparteien stammt. Ein Grüner wird Bundespräsident, und das ist schon eine mittelgroße politische Sensation.
Das Verfassungsgericht war für seine Entscheidung heftig gescholten worden, auch von ausgewiesenen Verfassungsexperten und Juristen. Tatsächlich war eine Vielzahl an Ungereimtheiten und Schlampereien festgestellt worden, offenbar eine typisch österreichische und gemütliche Auslegung der Vorschriften. Aber es gab keinerlei Hinweise auf eine erfolgte oder versuchte Manipulation des Wahlvorgangs oder des Ergebnisses. Verfassungsgerichtshofpräsident Gerhart Holzinger argumentiert, die Entscheidung sei "alternativlos" gewesen. Kritiker widersprechen.
Sei's drum, wir haben endlich einen Bundespräsidenten, einen, der von einer Mehrheit im Land gewollt und für gut befunden wird, einen, der Österreich repräsentieren kann, ohne dass das Land im Ausland Schaden nimmt. Letztendlich ist die Entscheidung in der zweiten Stichwahl um einiges deutlicher ausgefallen – und das ist gut so. (Michael Völker, 23.12.2016)