Das Geschäft für "Heilige katholische Kultur" in Chinas Hauptstadt Peking schien schon bald nach der Eröffnung zu scheitern. Mittlerweile kommen die Kunden, die Behörden lassen die Zügel locker.

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Die Idee, einen Laden für religiöse Kunst im atheistischen Peking zu eröffnen, kam der Katholikin Bai Hua bei der Taufe einer 20-jährigen Glaubensfreundin. Bai, deren christlicher Name Teresa ist, suchte nach einer kunstvollen Marienfigur als passendes Geschenk. Doch außer Plastikbildchen und kommerziellem Weihnachtskitsch, wie China ihn in Massen exportiert, konnte sie nichts finden. Ihr Mann Alang, der wie sie in der Internetbranche arbeitete und ein passionierter Holzschnitzer ist, ermunterte sie. "Mach doch dein eigenes Geschäft auf."

Sie mussten lange suchen, bis sie ein Parterrezimmer zur Straße hin im Xisi-Innenstadt-Viertel fanden. Ein katholischer Bekannter vermietete ihnen einen Raum seiner Wohnung. Am 1. September 2010 eröffneten sie Pekings erstes Geschäft für "Heilige katholische Kultur." Sie meldeten es unter ihrer neu gegründeten Firma für Kunsthandwerk an. Ihr Angebot bestand zuerst nur aus Rosenkränzen, die Nonnen privat herstellten, und einigen Anhängern mit Kreuzen, die Pekinger Jugendliche als Modeschmuck trugen. "Im ersten Monat verkauften wir nur ein Stück."

Sieben Jahre später hat Teresa ihr Geschäft erweitert und die Nachbarwohnungen zugemietet. Der Wandel ist Zeichen für die stille Revolution im Umgang Pekings mit der Religion, solange sich die Staatsmacht von ihr nicht herausgefordert fühlt.

Der prächtige Laden versteckt sich nicht. Über seinem Eingang hängt ein großes Kreuz. Für das Weihnachtsfest hat Alang eine geschnitzte Holzkrippe vor dem Schaufenster angebracht. Rund 1000 Produkte bietet die 36-jährige Teresa an. Viele hat ihr Mann in seiner Werkstatt entworfen, manche trendy, wie die Schutzhüllen mit christlichen Motiven für Handys und Aufladegeräte, die bei jungen Chinesen beliebt sind.

Anderer traditioneller Schmuck und Heiligenfiguren kommen aus Ländern wie Italien, Polen oder Russland. Plakate werben für Chinas größtes E-Kommerz-Angebot christlicher Kunst, das Teresa gegründet hat. Dem Familienunternehmen hat Papst Franziskus schriftlich seinen Segen erteilt. Der Vatikan und Peking verhandeln derzeit über einen Weg zu ihrer Aussöhnung, um die 1951 abgebrochenen Beziehungen wieder aufzunehmen.

Keine Missionare

Teresas Mutter schlief die erste Zeit nach Eröffnung des Ladens nicht gut. Seit fünf Generationen ist die Familie katholisch und erlebte schwere Zeiten. Doch Chinas Behörden störten sich bisher nicht am heiligen Geschäft. Sie fanden schnell heraus, dass sich dahinter weder Missionare versteckten, noch dass er Treffpunkt für religiöse Aktivitäten ist.

Und doch ist er etwas Besonderes. Er hat ein großes Angebot chinesischer Darstellungen religiöser Motive der katholischen Kirche. Sie sind in Tusche und Öl gemalt, auf Email, Glas, Porzellan und Holz. Chinas Kunst begleitete die Ausbreitung des christlichen Glaubens schon vor Jahrhunderten. Diese alte Tradition erwacht nun zu neuem Leben. Jahrzehntelang hatte die Volksrepublik sie unterbrochen und unterdrückt.

Christliche Künstler malten privat weiter. Teresa hörte zufällig von ihnen. "Mein Mann fuhr mich im Auto zu ihnen. Sie arbeiteten allein für sich. Aber jeder kannte einen weiteren Künstler." 2011 organisierte Teresa eine Ausstellung christlicher chinesischer Kunst in der Pekinger Westkirche mit Arbeiten von 16 Malern und Holzschnitzern aus Hebei und Shandong. Es war die erste seit der Kulturrevolution. Fünf Ausstellungen hat Teresa schon in Pekings Kirchen und Kathedralen gezeigt.

Lob der Ruhe

Alang glaubt, dass die Behörden die Entwicklung unterstützen würden. Der Staat habe gerade eine nationale Buchreihe zur Kunstgeschichte der Religionen in China gefördert. Darunter ist ein dicker Band zur "Kunst der katholischen Kirche". Der Bischof von Peking, Joseph Li Shan, schrieb das Vorwort und wählte eine diplomatische Sprache: "Aus vielerlei historischen Gründen stoppte die Entwicklung der Kunst des chinesischen Katholizismus in der ersten Zeit der Volksrepublik und blieb lange Zeit in diesem Zustand. Erst mit Beginn der Reformen bekam sie wieder Raum, sich zu entwickeln." Ein weiterer Band befasst sich mit der Kunst der Protestanten, zu denen Chinas Regierung ihre Beziehungen viel früher als zu den Katholiken verbesserte. Allein in Peking gibt es inzwischen 30 kleine Läden, für evangelische Literatur, Kunst und Kultur.

Teresa wollte oft aufgeben. Wirkliche religiöse Kunst sei keine Massenware und erst recht kein Geschäft. Die Arbeit im Laden zusammen mit dem IT-Portal reibe sie auf. Doch sie erlebe immer wieder, wie Neugierige ins Geschäft kommen, die Ruhe loben, ihre schönen Dinge betrachten und sich in die Kunst vertiefen. "Manche reden zwei Stunden mit mir." Davon fühle sie sich jedes Mal belohnt. (Johnny Erling aus Peking, 26.12.2016)