Verfassungsgerichtshof-Präsident Holzinger verteidigt die Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl. Alles andere hätte die Motivation untergraben, sich an Wahlgesetze zu halten.

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Alexander Van der Bellen kann sich nun seines Amtes sicher sein, die einwöchige Frist zur Anfechtung des Ergebnisses ist ohne Beschwerde verstrichen. Am 26. Jänner wird er angelobt.

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Wien – Zwei Präsidenten dürften am Freitag deutlich erleichtert gewesen sein. Alexander Van der Bellen, der sich nach Verstreichen der Anfechtungsfrist für die wiederholte Stichwahl nun seines Amtes sicher sein kann. Und Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofs, der nach der Anfechtung des ersten Durchgangs mit seinen Richterkollegen die Wahl hatte wiederholen lassen und nun nicht noch einmal mit einer Beschwerde konfrontiert ist.

Holzinger hat nun die "selbstauferlegte Enthaltsamkeit", weder Wahlkampf, Aufhebung noch Verschiebung zu kommentieren, beendet und die vom Verfassungsgerichtshof verordnete Wiederholung der Stichwahl als "völlig alternativlos" bezeichnet. Er habe sich bewusst erst jetzt zu Wort gemeldet, weil "ich nicht wollte, dass in der ohnehin immer aufgeheizten Stimmung eines Wahlkampfs irgendeine Äußerung des Verfassungsgerichtshofs zu Fehlinterpretationen führt".

"Zero Tolerance"

Das Verfassungsgericht hatte am 1. Juli die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl angeordnet und damit zum ersten Mal eine bundesweite Wahl aufgehoben. Grund waren schwere Formalfehler bei der Auszählung der Briefwahlstimmen in 14 Stimmbezirken sowie die Weitergabe (nicht aber Veröffentlichung) von Teilergebnissen an die Medien vor Wahlschluss.

Aufgabe der Höchstrichter ist zu überprüfen, ob die vom Parlament vorgegebenen Wahlgesetze eingehalten wurden. Das ist laut Holzinger durch die massiven Verstöße gegen den Grundsatz der freien Wahlen und des Bundespräsidentenwahlgesetz nicht geschehen. "Wenn Gesetze von den staatlichen Wahlbehörden nicht auf Punkt und Komma eingehalten werden, gilt am Verfassungsgerichtshof 'Zero Tolerance'", erklärte der Präsident. "Die Bestätigung der Wahl wäre das falsche Signal gewesen" – sie hätte jede Motivation, sich an Gesetze zu halten, untergraben.

Mit Kritikern will sich Holzinger nicht näher beschäftigen. Nur so viel: Jene Personen, die ihren Missmut über das Erkenntnis mit einer Beschädigung des Wahlrechts begründeten, weist er in die Schranken. Das Höchstgericht habe den Wählern das Wahlrecht zurückgegeben, indem sie noch einmal wählen konnten.

Gegen Dissenting Opinion

Auch auf den Verfassungsrichter Johannes Schnizer, der in Interviews den blauen Wahlanfechtern Kalkül unterstellt hatte, wollte Holzinger nicht näher eingehen. Er stellte jedoch fest, dass Medienarbeit ausschließlich Aufgabe des Gerichtspräsidenten sei. Zugleich betonte er, nicht der Disziplinarvorsitzende über die anderen Richter zu sein. Dazu diene das Plenum der Verfassungsrichter, und das habe die Entschuldigung Schnizers akzeptiert. Sobald ein Urteil im Rechtsstreit zwischen Freiheitlichen und Schnizer vorliege – die FPÖ hat Schnizer wegen seiner Aussage, die Blauen hätten die Wahlanfechtung länger vorbereitet, geklagt –, werde das Plenum noch einmal tagen. Bis dahin hat sich Schnizer bei allen Verfahren, die die FPÖ betreffen, für befangen erklärt.

Skeptisch sieht der Präsident der Forderung nach der Veröffentlichung des Abstimmverhaltens der Richter – der Dissenting Opinion. Aufgrund der schriftlichen Ausfertigung der Erkenntnisse gebe es keinen zusätzlichen Erklärungsbedarf. "Wem ist damit gedient?", fragt Holzinger. Das Abstimmungsergebnis geheim zu halten stärke die Autorität des Höchstgerichts. In heiklen politischen Fragen sei es wichtig, als Kollektiv zu entscheiden und als Institution zu sagen, "wo es langgeht". (mte, 23.12.2016)