Zuletzt auf Mission in seiner steierischen Heimat, wo autonomes Fahren getestet wird: Minister Leichtfried.

Foto: APA/Erwin Scheriau

STANDARD: Sie wirken in letzter Zeit hyperaktiv. Kaum eine Pressekonferenz von ÖBB, Asfinag oder Forschung, in der Sie nicht auftreten. Sind Sie der neue Pressesprecher der zu Ihrem Ministerium ressortierenden Unternehmen?

Jörg Leichtfried: (lacht) Nein. Es sind viele Dinge, die ich in meiner Zeit als Bundesminister angestoßen habe, jetzt umgesetzt worden. Mir ist es wichtig, darüber zu informieren, was bei uns passiert. Wenn man sich entschließt, 64 neue Nahverkehrszüge zu bestellen, dann soll die Bevölkerung das auch wissen.

STANDARD: Die ÖBB-Cityjets von Siemens waren längst bestellt, die Vergabe war vor fünf Jahren ...

Leichtfried: Nein, das war meine Entscheidung, das jetzt zu tun.

STANDARD: Dann hätte man sich die jüngste Ausschreibung von Bombardier-Zügen also sparen können, wenn Sie ohnehin aus dem alten, vom früheren ÖBB-Chef und nunmehrigen Bundeskanzler heftig kritisierten Rahmenvertrag abrufen?

Leichtfried: Wir hätten die Cityjets ebenso gut nicht abrufen können oder später. Mir ist schon wichtig, dass den Menschen auch kommuniziert wird, dass etwas weitergeht. Wir haben jetzt vieles auf den Weg gebracht. Es wird in Zukunft auch Tage geben, an denen wieder anderes Dinge im Vordergrund stehen.

STANDARD: Bei Dieselgate, also im VW-Abgasskandal wäre derartige Aktivität dringend nötig gewesen. Da waren Sie – wie auch Ihre Vorgänger – deutlich weniger offensiv.

Leichtfried: Was wir bei VW gemacht haben: Wir haben uns entschieden, selbst zu testen.

STANDARD: Aber erst nach fast einem Jahr und auf massive Aufforderung der EU-Kommission.

Das Auto fährt auch ohne Leichtfrieds Zutun.
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Leichtfried: Ich bin seit sieben Monaten Minister. Diese Tests sind jetzt angelaufen, ab Jänner werden erste Ergebnisse vorliegen. Wir tun, was notwendig ist.

STANDARD: Was genau wird da getestet? Es gab ja neben massiven Überschreitungen bei krebserregenden Stickoxid-Emissionen auch ein CO2-Problem, das von VW und Kraftfahrtbundesamt allerdings diskret bereinigt wurde. Halten Sie den Umgang der deutschen Behörden für vertrauenswürdig?

Leichtfried: Wir warten nicht ab, wir testen selbst – das tun nicht alle EU-Mitgliedstaaten. Wir betreten damit Neuland und arbeiten deshalb eng mit der TU Wien zusammen. Mit diesen Tests haben wir mehr Klarheit und können gegenüber den Deutschen argumentieren. Außerdem brauchen wir eine EU-weite Lösung, ein neues System mit realitätsnäheren Werten.

STANDARD: Das neue Testverfahren ab 2018 stand de facto längst fest, bevor Dieselgate ausgebrochen ist.

Leichtfried: Es gibt auf EU-Ratsebene eine Diskussion, wie intensiv die neuen Kontrollen gemacht werden. Wir plädieren dabei für sehr realitätsnahe Tests. Man wird sehen, was am Ende herauskommt. In Wahrheit ist das aber alles Symptombekämpfung – auch die Diskussion über die Lkw-Maut und ob CO2 dort miteingerechnet wird, was ich für notwendig halte. Die wahre Herausforderung ist abgasfreie Mobilität, dort müssen wir hin. Deshalb habe ich das E-Mobilitätspaket auf Schiene gebracht. Ich will Österreich elektrofit machen. Das ist die Antwort auf dieses Problem.

STANDARD: E-Mobilität kann ein Zwischenschritt sein, solange das Batterieproblem nicht gelöst ist und Strom konventionell erzeugt wird statt mit Erneuerbaren Energien?

Leichtfried: Selbst wenn die Energie zentral mit Nichterneuerbaren hergestellt wird, ist Elektromobilität immer noch besser, als wenn sie dezentral in jedem einzelnen Auto hergestellt wird. Hier sind sich alle Experten einig. Aber natürlich ist es das Ziel, CO2-freie Energie zu erzeugen. Außerdem kann CO2-neutral auch Wasserstoff bedeuten. Ich verfolge da einen technologieneutralen Ansatz.

STANDARD: Was bei den vielen Anreizen und Fördersystemen nie vorkommt: die Ausrüstung privater Haushalte mit Ladestationen. Wer keine Garage hat, muss immer an einer Tankstelle warten, bis sein Akku voll ist. Wann kommt da was?

Leichtfried: Es gibt noch einige ungelöste Fragen. Wie wir das Netz mit E-Ladestationen im urbanen Raum verdichten können, ist eine der brennenden Fragen. Dort lebt der Großteil der Menschen in Mehrparteienhaushalten, meist ohne eigenen Garagenplatz. Um hier eine E-Ladestation zu installieren, müssen noch dazu alle Parteien zustimmen.

STANDARD: Wie immer die Lösung aussehen wird, beim Klimaschutz bewegen Elektro-Pkw wenig, denn der größte Emittent im Problembereich Verkehr sind Lastwagen. Da passiert nichts. Warum?

Leichtfried: Auch hier tut sich einiges. E-Motoren für Lkws sind keine Fiktion, Stichwort Stromautobahn mit Induktionsspeisung.

STANDARD: Die aber noch lange nicht in der Realität ankommen werden. Ein Vierzigtonner kommt mit E-Batterie nicht weit.

Leichtfried: Auch hier ist etwas in Bewegung, etwa bei Autobussen.

STANDARD: Sehr umtriebig sind Sie auch bei der deutschen Pkw-Maut. Sie kündigten Klagen an, dabei liegt nicht einmal ein Gesetzesentwurf vor. Aktionismus?

Leichtfried: Ganz und gar nicht. Die Eckdaten, mit denen die Deutschen mit der EU-Kommission verhandelt haben, liegen vor. Auf dieser Grundlage werden wir nun gegenüber Berlin und der EU-Kommission unsere Rechtsansicht darlegen.

STANDARD: Wie konnte die Kommission so einer Lösung zustimmen?

Leichtfried: Es war ein Nachgeben vor dem stärksten Mitgliedstaat.

STANDARD: Sollte auch diese Maut-Variante dem EU-Recht klar widersprechen, wie Ihr Ministerium sagt, wie glaubwürdig ist dann die Hüterin des Gemeinschaftsrechts noch? Es drängt sich der Verdacht auf, die EU-Kommission lege es auf eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) an, um sich so des Problems elegant zu entledigen.

Leichtfried: Was hier passiert, ist Teil der großen europäischen Katastrophe, die über uns hereingebrochen ist: Wir geben nationalen Egoismen immer stärker nach, wir haben politische Bewegungen, die die Union sprengen wollen. Selbst die EU-Kommission, die zentrale Instanz in Europa – über deren Tun und Treiben man diskutieren kann, der man aber bislang kaum vorwerfen konnte, uneuropäisch zu agieren –, beginnt jetzt, genauso zu handeln. Das ist für alle eine Katastrophe. Für mich ist das mit ein Grund, gegen das deutsche Mautmodell besonders scharf vorzugehen. Denn es ist Symbol für den Zerfall Europas. Wenn wir beginnen, mit Billigung der Kommission zu diskriminieren, dann kann das der Anfang vom Ende der Union sein. Wir und auch andere Länder sind deshalb sehr erbost. Es macht Europa aus, dass die Stärke des Rechts entscheidet, nicht das Recht des Stärkeren.

STANDARD: Wie immer das Match ausgeht: Klagen können Sie gegen die deutsche Pkw-Maut erst, wenn Bundestag und Bundesrat in Berlin das Gesetz beschlossen haben.

Leichtfried: Wir geben Brüssel jetzt unseren Rechtsstandpunkt bekannt und werden mit anderen Ländern eine gemeinsame Allianz schmieden. Wir werden entschieden vorgehen und sind gut vorbereitet. (Luise Ungerboeck, 22.12.2016)