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Kerzen brennen auf dem Breitscheidplatz, wo Menschen der zwölf Todesopfer gedenken.

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Unter den Trauergästen beim Gedenkgottesdienst in der Gedächtniskirche Dienstagabend waren der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert.

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Ein Weihnachtsmarkt im Bezirk Prenzlauer Berg fand Dienstagabend unter erhöhter Bewachung statt. Am Mittwoch sollen die Berliner Adventmärkte wieder öffnen.

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Dieser Lkw wurde als Waffe verwendet. Sein ursprünglicher Lenker, der tot auf dem Beifahrersitz gefunden wurde, soll während des Anschlags noch gelebt haben.

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Berlin – Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt fahnden Ermittler unter Hochdruck nach dem womöglich bewaffneten Täter und etwaigen Komplizen. Auch die Hintergründe des Angriffs und der genaue Tatablauf beschäftigen die Sicherheitsbehörden am Mittwoch weiter.

Der Innenausschuss des Deutschen Bundestags will gegen Mittag in einer Sondersitzung über den Anschlag beraten. Die meisten Weihnachtsmärkte in der Hauptstadt sollen unterdessen wieder öffnen. Der Breitscheidplatz, wo am Montag ein Lastwagen in den Weihnachtsmarkt gerast ist, bleibt jedoch weiter abgeriegelt.

Zwar reklamierte die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) den Angriff für sich, allerdings steht bisher nicht fest, ob wirklich eine so weit verzweigte Organisation hinter dem Anschlag steht oder der Täter auf eigene Faust gehandelt hat. Der IS hatte über sein Sprachrohr Amaq verbreitet, der Angriff sei eine Reaktion auf Aufrufe gewesen, die Bürger von Staaten der Anti-Terror-Koalition anzugreifen.

Kampf zwischen Täter und polnischem Lkw-Fahrer?

Möglicherweise verhinderte der polnische Lkw-Fahrer, der beim Attentat auf dem Beifahrersitz saß, noch Schlimmeres. Die Obduktion habe ergeben, dass er zum Zeitpunkt des Anschlags noch lebte, berichtete "bild.de". Ein Ermittler habe von einem Kampf gesprochen. Auch von Messerstichen ist die Rede. Erschossen worden sei der Mann erst, als der Lkw zum Stehen kam.

Nach dem Attentat fand man den Polen tot im Führerhaus. Nach dpa-Informationen wurde er mit einer kleinkalibrigen Waffe erschossen – von ihr fehlt bisher jede Spur. Der Mann arbeitete für die Speditionsfirma, der der Sattelschlepper gehört. Nach Informationen des rbb hat die polnische Polizei in dem Fall Ermittlungen wegen Mordes aufgenommen.

Fahnder zuversichtlich

Ein zunächst festgenommener Verdächtiger wurde wieder freigelassen, nachdem sich gegen ihn kein dringender Tatverdacht ergeben hatte. Wie der rbb berichtete, soll es auch am Mittwochmorgen eine Festnahme gegeben haben, allerdings stellte sich auch dieser Festgenommene nicht als der Täter heraus. Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt sagte am Dienstag, es sei möglich, dass der Täter noch im Raum Berlin unterwegs sei. "Es ist nicht auszuschließen, dass der Täter flüchtig ist", sagte auch der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) im ZDF. Er versicherte zugleich, dass die Ermittler nicht im Dunklen tappen würden. Es gebe Ermittlungsansätze, die würden verfolgt. "Und niemand wird ruhen, bis nicht der Täter oder die Täter gefasst sind", so de Maizière.

"Ich bin relativ zuversichtlich, dass wir vielleicht schon morgen oder in naher Zukunft einen neuen Tatverdächtigen präsentieren können", sagte der Vorsitzende des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, Andre Schulz, am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner spezial". Vieles könne derzeit nicht verraten werden, aber es gebe "gute Hinweise" und "sehr viele Ansatzpunkte".

Mehr als 500 Hinweise

Die Berliner Polizei hat nach eigenen Angaben mehr als 500 Hinweise zu dem Anschlag erhalten. Neben Zeugenaussagen werten die Ermittler Schulz zufolge DNA-Spuren und Fingerabdrücke aus. Mit GPS-Daten vom Tatabend werde nach dem Handy des Täters gesucht. Auf dieser Basis könne ein Bewegungsbild erstellt werden. "Wir haben viele Möglichkeiten, um die Person auch zu finden", sagte Schulz.

Am Montagabend war der vermutlich entführte Lastwagen in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz in Berlin gerast. Einschließlich des Polen starben zwölf Menschen, rund 50 wurden teils lebensgefährlich verletzt. Laut de Maizière konnten – neben dem Polen – bisher erst sechs Tote identifiziert werden. Bei ihnen handelt es sich um deutsche Staatsbürger. Unter den Opfern sind aber wahrscheinlich auch mehrere Ausländer.

Frauen aus Italien und Israel vermisst

Nach Informationen der italienischen Nachrichtenagentur Ansa wird eine 31-jährige Frau aus Sulmona in den Abruzzen vermisst, die seit mehreren Jahren in Berlin lebt. Ihr Handy sei am Ort des Anschlags am Breitscheidplatz gefunden worden.

Die Familie sei noch in der Nacht auf Dienstag vom Außenministerium informiert worden, sagte der Vater der Frau der Ansa. Die 31-Jährige, die seit 2013 in Deutschland lebte, war bei einem Transportunternehmen in Berlin beschäftigt.

Vermisst wird auch eine Frau aus Israel, die am Montagabend mit ihrem Mann auf dem Weihnachtsmarkt war. Der Mann, ebenfalls israelischer Staatsbürger, wurde bei der Attacke schwer verletzt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Dienstag in Jerusalem, man fürchte um das Leben der Frau.

Politische Debatte

Schon kurz nach dem Anschlag nahm die politische Debatte über die Tat und die Schlussfolgerungen daraus Fahrt auf. So sagte CSU-Chef Horst Seehofer: "Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren." Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits Zweifel, ob der als Verdächtiger in Berlin festgenommene Flüchtling wirklich der Täter war. Mit Blick auf Attentate in den vergangenen Monaten sagte auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann im Deutschlandfunk, dass es sich bei den Tätern um Menschen gehandelt habe, "die im Rahmen des Flüchtlingsstroms nach Deutschland gekommen sind". "Die Risiken sind offenkundig."

CDU-Vize Armin Laschet kritisierte unter anderem Seehofer für seine Wortwahl. Es sei nicht die "normale Herangehensweise an Politik", schon vor Ermittlung der Fakten durch die Polizei Schlüsse zu ziehen zu ziehen, sagte er am Dienstagabend bei "Maybrit Illner spezial". "Was ist denn, wenn der Täter aus dem Inland oder aus einem Nachbarland kommt, wie bei den Anschlägen von Nizza oder Brüssel?"

CSU: Mehr Bundeswehr im Inland

Unter dem Eindruck des Anschlags bekräftigte die CSU auch ihre Forderung nach erweiterten Einsätzen der Deutschen Bundeswehr im Landesinneren. Soldaten könnten mit ihrer speziellen Ausbildung und Ausrüstung die Polizei vielfach unterstützen, sagte Florian Hahn, Außen- und Sicherheitsexperte der Partei, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die SPD, die Opposition und auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sind jedoch der Ansicht, dass die Regeln für die Bundeswehr im Inneren ausreichend seien. Verfassungsrechtlich ist ein vorbeugender Einsatz der Bundeswehr ausgeschlossen und ansonsten nur in außerordentlichen Lagen im Zusammenhang mit Katastrophen oder auch mit einer Verkettung verschiedener Terrorlagen denkbar.

Auch außerhalb Berlins sollen die Weihnachtsmärkte in Deutschland trotz des Anschlags weiter stattfinden. Mehrere deutsche Bundesländer überdenken allerdings ihre Sicherheitskonzepte. De Maizière blickte in der "Bild"-Zeitung nach vorn: "Wenn ich sage, dass wir uns unser freiheitliches Leben nicht zerstören lassen dürfen, gilt das auch für das Silvesterfest." (APA, 21.12.2016)