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Das Vermessungsschiff HMS Beagle (hier in der Magellanstraße dargestellt) ging in die Wissenschaftsgeschichte ein.

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Charles Darwin (hier auf einem Porträt aus dem Jahr 1840) segelte von 1831 bis 1836 auf der Beagle um die Welt.

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Auf seiner Expedition legte Darwin umfangreiche Sammlungen an, darunter auch von Muscheln. 23 Jahre nach dem Ende der Reise veröffentlichte er die Evolutionstheorie.

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Wien – Als Charles Robert Darwin im August 1831 von einer geologischen Exkursion nach Wales zurück in sein Elternhaus im englischen Shrewsbury kehrte, wartete der folgenreiche Brief bereits auf ihn. Absender war der Botaniker und Geologe John Stevens Henslow, den Darwin in Cambridge kennengelernt und dessen Vorlesungen er mit großer Begeisterung besucht hatte.

Henslow schrieb ihm nun, dass ein gewisser Kapitän Robert FitzRoy für eine kartografische Expedition nach Südamerika einen naturwissenschaftlich qualifizierten Begleiter suche – und er ihm Darwin dafür vorgeschlagen habe. Die voraussichtlich etwa zwei Jahre dauernde Reise, so Henslow, biete für einen jungen Forscher eine geradezu einmalige Chance.

Der 22-jährige Darwin dürfte von der Idee einer Weltreise hingerissen gewesen sein, sein Vater hingegen weniger. Der fürchtete um die Sicherheit seines Sohnes auf einer langen Seefahrt und hatte sich außerdem einen ganz anderen Karriereweg erhofft. Da Charles offensichtlich nicht in des Vaters Fußstapfen als Arzt zu treten gedachte, hatte er ihn nach Cambridge geschickt, um dort den Bachelor of Arts zu erwerben und anschließend Geistlicher der Kirche von England zu werden.

Folgenreiche Entscheidung

Doch in Cambridge kristallisierten sich andere Interessen des Studenten heraus: Er beschäftigte sich intensiv mit Botanik, Insektenkunde und Geologie, verschlang naturphilosophische Werke ebenso wie die Reiseberichte des deutschen Naturforschers Alexander von Humboldt. Die Teilnahme an einer Expedition mit der Möglichkeit, eigene Forschungen zu betreiben, Sammlungen anzulegen und sich einen wissenschaftlichen Namen zu machen, war äußerst verlockend.

Allerdings handelte es sich um keine finanzierte Stelle, die Reise musste aus der eigenen Tasche bezahlt werden – folglich konnte Darwin sie ohne Zustimmung des Vaters nicht antreten. Mutlos hatte er schon eine Absage formuliert, als sein Onkel von dem Angebot erfuhr und, ebenfalls begeistert, den Vater doch noch überzeugte. Nach einem ersten Treffen mit Kapitän FitzRoy in London war es schließlich besiegelt: Charles Darwin sollte an Bord der HMS Beagle um die Welt segeln.

Tückische Seefahrt

Bis zur geplanten Abfahrt waren es nur wenige Wochen, Darwin ließ sich noch eilig in Sammlungs- und Konservierungstechniken unterweisen. Das Auslaufen der Beagle musste allerdings wegen heftiger Stürme immer wieder verschoben werden, und so verließ das zweimastige Segelschiff erst am 27. Dezember 1831 den Marinestützpunkt Devonport im englischen Plymouth.

Das Schiff hatte bereits von 1826 bis 1830 eine Reise zur Vermessung der südamerikanischen Küste unternommen, nun sollte die Kartografierung vervollständigt werden. Für den enthusiastischen Naturforscher an Bord begann die Unternehmung alles andere als angenehm – er wurde schwer seekrank. "Ich hasse jede Welle des Ozeans mit einer Inbrunst, die Du, der Du nur die grünen Gewässer der Küste gesehen hast, niemals verstehen kannst", schrieb er später einem Cousin.

Erste Funde

Zu seiner großen Enttäuschung musste dann auch noch der erste geplante Landgang auf die kanarische Insel Teneriffa unterbleiben, da wegen eines Cholera-Ausbruchs in England über die Besatzung eine Quarantäne verhängt worden war. Mitte Jänner 1832 betrat Darwin zum ersten Mal wieder Land – auf der kapverdischen Insel Santiago.

Bei seinem Aufenthalt entdeckte er ein Muschelschalenband, das er als Indiz für eine langsame und graduelle Formung der Erde wertete. Er hielt fest: "Da dämmerte mir, dass ich vielleicht ein Buch über die Geologie der von mir besuchten Länder schreiben würde." Bei geologischen Studien sollte es nicht bleiben. Die Reise der Beagle führte weiter an die Ostküste Brasiliens, dann die Küste entlang südwärts, wo Darwin erste Säugetierfossilien fand.

Rätselhafte Entdeckungen

Nach einem Abstecher zu den Falklandinseln ging es über Feuerland und Patagonien die Westküste hinauf, dann weiter zu den Galapagosinseln, nach Tahiti, Neuseeland und Australien, zu den Kokosinseln und nach Mauritius, Südafrika, St. Helena und Ascension, ehe erneut Kurs auf die Nordostküste Südamerikas genommen und von dort aus schließlich die Heimfahrt nach England angetreten wurde. Aus den geplanten zwei Jahren waren fünf geworden.

Auf seinen manchmal wochen- oder monatelangen Landgängen sammelte Darwin Unmengen an Pflanzen, Tieren und Fossilien – und machte dabei manch merkwürdige Beobachtung. "Seine damaligen Entdeckungen haben das Bild von der lebendigen Natur und insbesondere von der Entstehung der Arten revolutioniert", sagt Eve-Marie Engels, Professorin für Ethik in den Biowissenschaften an der Universität Tübingen. "Das heißt aber nicht, dass er das während der Reise schon so gedeutet hat." Denn aus seinen Aufzeichnungen wird klar, dass er während der Expedition noch von einer Unveränderlichkeit der vom Schöpfer erschaffenen Arten ausging, so Engels, die sich intensiv mit Darwins Arbeit befasst und eine Monografie über den Forscher geschrieben hat.

Verworfene Theorie

Der junge Darwin war während seiner Exkursionen weitgehend auf sich allein gestellt. Vor ein Rätsel stellten ihn etwa die Fossilien unbekannter Tierarten, die aber offensichtlich mit heutigen Tieren verwandt waren: Er fand keine geologischen Spuren von irgendwelchen großen Katastrophen. Warum waren sie also ausgestorben, und woher waren die neuen Spezies gekommen?

"Während der Reise kam ihm die Idee, alle Arten könnten eine begrenzte Lebensdauer haben – wie Individuen", sagt John van Wyhe. Der Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Nationaluniversität Singapur gründete 2002 das Projekt "Darwin online" mit dem Ziel, alle Druck- und Handschriften des Naturforschers online frei zugänglich zu machen. Wyhe: "Darwin war zunächst verblüfft, vieles ergab keinen Sinn. Doch er begann schon, die Fragen zu stellen, die ihn zu seiner späteren Antwort führten."

Dass ihm bereits beim Studium von Finken auf den Galapagosinseln der entscheidende Gedanke kam, es handle sich um unterschiedliche Arten, die sich durch räumliche Trennung und differierende Lebensbedingungen aufgefächert hatten, ist allerdings eine sich hartnäckig haltende Legende.

Überzeugende Vögel

"Um ein vollständiges Bild zu entwickeln, brauchte er auch die Fachkenntnis von und Kommunikation mit Experten", sagt Engels. Die Wissenschafterin sieht darin ein gutes Beispiel für die Bedeutung der Scientific Community. Zurück in England, waren es zunächst vor allem die Arbeiten des Ornithologen John Gould, die Darwin von der Veränderlichkeit der Arten überzeugten. Im März 1837 informierte Gould Darwin, dass es sich bei den auf den Galapagosinseln gesammelten Finkenexemplaren um eng verwandte, aber unterschiedliche Spezies handelte.

"Darwins einzige Erklärung dafür war, dass sich Spezies verändern müssen", so Wyhe. Bis zur Ausformulierung und Veröffentlichung seiner Theorie der Evolution durch natürliche Selektion in "On the Origin of Species" vergingen dann aber noch mehr als 20 Jahre.

Keine Eile

Warum dauerte es so lange, bis er damit an die Öffentlichkeit ging? Wyhe: "An der Theorie arbeitete er im Hintergrund, seine Hauptbeschäftigung war die Katalogisierung und sukzessive Veröffentlichung der Beagle-Sammlungen." Zudem begriff Darwin die Evolutionstheorie als riesiges Forschungsprogramm, das zunächst einmal umfangreicher Literaturstudien und unzähliger Experimente bedurfte.

"Es gab keine Eile und keinen Publikationsdruck für jemanden, der nicht auf Drittmittel angewiesen war", sagt der Historiker. "Erst Mitte des 20. Jahrhunderts fragten sich die Leute, warum das so lange gedauert hat. Dann wurde etwa behauptet, er habe Angst vor den Reaktionen gehabt – aber dafür gibt es überhaupt keine Hinweise, im Gegenteil. Es entsprach einfach Darwins Arbeitsweise."

Als "On the Origin of Species" dann im November 1859 erschien, war das Buch sofort vergriffen. Innerhalb kürzester Zeit sollte es das Bild vom Leben für immer verändern. "Die Reise auf der Beagle war das wichtigste Ereignis meines Lebens und hat meine ganze Berufslaufbahn bestimmt", schrieb Darwin später in seiner Autobiografie. "Ich hatte immer das Gefühl, dass ich der Reise die erste wirkliche Übung oder Bildung meines Denkvermögens verdanke." (David Rennert, 27.12.2016)