Symbolfüße

Foto: APA/dpa/Friso Gentsch

Tränen des Glücks fließen meine Wangen herab, als mir eine Haubenköchin versichert, ich würde in der Küche zumindest nichts falsch machen. Ich weiß, es ist der höchste Orden, den Profiköche in Friedenszeiten uns, den Hausfrauenköchen, verleihen. So was wie der "Pour le Mérite" mit goldenen Kochlöffeln und der Schmorgabelspange. Danke!

Der Padawan im Supermarkt

Wie es oft mit erworbenen Fertigkeiten geschieht, ist auch meine aus der Not entstanden. Kurz gesagt: Ich und meine damalige Freundin ziehen in die erste gemeinsame Wohnung, keiner von uns kann kochen. Unsere Mütter existieren nur noch als Stimmen aus dem Telefon und kochen nur noch am Wochenende für uns.

Eine Weile lasse ich mir von meiner Mutter die Zubereitung einzelner Speisen erklären. Ich habe ein kleines Notizbuch und trage alles ein. Dann gehe ich in den Supermarkt, kaufe alles Notwendige ein, zücke das Notizbuch und koche, die Anleitung befolgend. Doch bald entdecke ich eine andere, logische Quelle zur Erschließung des weiten Landes, zu dessen Entdeckung ich überraschenderweise freiwillig aufbreche: Es sind die Hausfrauen im Supermarkt.

Hier suche ich die knorrigsten Omas aus, jene, die mit gelangweilter Miene zielstrebig zu einzelnen Regalen gehen und mir so den Eindruck vermitteln, sie wüssten ganz genau, was sie da tun. Alle Knorrigkeit entweicht aus ihren Gesichtern, wenn sie begreifen, dass ein Mann wissen will, was ihre eigenen in 40 Jahren Ehe nie wissen wollen: was und wie sie heute kochen. Bald fange ich die Führung eines zweiten Notizbuchs an.

Meine Adelung zur Hausfrauenköchin geschieht ganz unerwartet in der Käseabteilung. Ich bitte den Verkäufer, meinen Emmentaler etwas dicker zu schneiden, weil ich ihn panieren und backen will. Die Oma hinter mir fragt mich, wie ich es anstelle, dass der Emmentaler nicht ausläuft. Ich muss erst tief Luft holen, weil ich begreife, dass mich der Teufel in Gestalt dieser lieben Oma prüft. Dann sage ich: "Ganz einfach, oh Herr der Hölle, aber dieses Geheimnis wird dir nichts nützen!"

Doch Luzifer lässt sich nicht abwimmeln. "Wenn du den Käse paniert hast, musst du ihn vor dem Backen 30 Minuten ins Tiefkühlfach legen! Hast du ein Tiefkühlfach in der Hölle?" Satan starrt mich mit glühenden Augen an und verschwindet in einer Schwefelwolke.

Essen und kotzen im liegen

Wie die meisten Hausfrauenköche bin ich relativ ahnungslos, die historischen Aspekte des Kochens betreffend. Ich frage mich jahrelang: "Was haben die Römer je für uns getan?" Es gibt noch kein Internet, und ich studiere sowieso Geschichte, also sitze ich eines Tages in einer Vorlesung von Professor Vocelka, dem man auch aus der letzten Reihe im Audimax ansieht, dass er gerne isst.

Er widmet ein ganzes Semester Vorlesungen über die Zubereitung von Nahrung in der Antike (und im Mittelalter). So erfahre ich, was die Römer je für uns getan haben: Sie klauen für uns das Garum von den Griechen und Karthagern, überliefern uns seine Rezeptur, verfeinern es und – vor allem – machen es zur erschwinglichen Massenware.

Viele Jahre später versuchen Felix der Liguster und ich, Garum selbst herzustellen. Damit es nicht stinkt, wählen wir die Variante der Fermentierung in der Amphore. Unsere Amphore ist ein großes Einmachglas, das wir mit Autolack außen undurchsichtig machen. Wir füllen diesen Fermentationsreaktor mit Sardellen, ihren Innereien und Salzlake und lassen ihn bei 40 °C in einem Sous-vide-Garer stehen. Zehn Tage lang. Beim Öffnen fliegt der Deckel hoch und bleibt am Plafond kleben. Der Inhalt bespritzt unsere Gesichter und Oberkörper, und der Rest der unmenschlich stinkenden Brühe ist auf den Wänden von Felixens Küche verteilt. Seitdem kaufen wir im Asia-Supermarkt in Meidling Fertigprodukte der asiatischen Nahrungsmittelindustrie.

Auf Messers Schneide

Was Köche anbetrifft, ist Felix ein nerdiges Genie. Außer seinem eigenen Sous-vide-Garer und einer Sammlung von hochqualitativen Küchenmessern besitzt er ein unglaubliches Wissen über die Zubereitung von Speisen. Ein Messer hat Felix immer dabei. Es ist eine klappbare Variante eines japanischen Wiegemessers. Er trägt es am Gürtel in einer Lederscheide. Daran hängt auch eine Fiole aus Stahl, in der Chilipulver ist. Die Chili züchtet Felix selbst in seiner Wohnung in einer Hydroponik-Anlage.

Doch Felix der Liguster scheint auch von der dunklen Seite der Macht angezogen. Einmal glaubt er, alleine mit meinen Messern zu sein. Doch zufällig werde ich Zeuge einer unheimlichen Szene. Felix holt jedes meiner Messer aus der Lade und prüft ihre Schärfe. Dabei wiegt er unzufrieden den Kopf und sagt: "Ts, ts, ts ..."

Dann beginnt er die Messer auf dem Fußrand einer Keramikschüssel zu schleifen. Während er die Klinge langsam gleiten lässt, flüstert er etwas, was ich nicht verstehen kann. Aber der Klang ist zärtlich, wie bei einem Pferdeflüsterer. Nur, dass Felix den Messern zuflüstert. Ich lasse ihn im Glauben, nichts gesehen zu haben, und komme erst dann in die Küche, als die Schleifgeräusche verstummen. Felix strahlt: "Du hast wieder echte Messer, mein Freund!"

Das Moussaka-Trauma

Als ich bereits versiert bin und mein Repertoire auch internationale Volksküche enthält, ist eine Moussaka nur Routine für mich. Doch diese Moussaka soll die beste ever werden. Ich mache mir sogar die Mühe und besorge alles Rohmaterial auf dem Meidlinger Markt. Zum Schneiden benutze ich ein von Felix geschliffenes Messer, alles wird bis zur Verwendung in Glasschüsseln aufgestellt, wie beim Fernsehkoch.

Und alles läuft bestens. Als nichts Böses mehr passieren kann, weil die Moussaka fertig ist und nur noch aus dem Rohr gezogen werden muss, um auf die Teller verteilt zu werden, betritt meine Freundin die Küche und fragt laut nach dem Fortgang der Kocherei. Ich sehe sie nicht und höre auch nicht, dass sie die Küche betritt, weil ich die heiße Terrine gerade zur Arbeitsfläche balanciere. Ihre Frage erschreckt mich so sehr, dass ich die Terrine fallen lasse und sie auf den Küchenboden klatscht. Weder dieses Geräusch noch den Anblick der zermatschten Moussaka werde ich jemals vergessen können.

Die nächsten drei Jahre bin ich außerstande, eine Moussaka zu machen. Doch durch zähes autogenes Training und Tai-Chi überwinde ich diese Kochsperre im Kopf und kann heute wieder ganz normal leben und Moussaka machen.

Die letzte Versuchung des Kochs

Dass Menschen nur vertikal angeordnete Hausschweine sind, weiß man. Dass viele Köche darüber spekulieren, wie man Menschen am besten zubereitet, auch.

Aber das ist nicht einer Perversion zu verdanken, sondern dem Kannibalismus an sich. Er ist – so sagen manche – nüchtern betrachtet eine "Kulturleistung" wie jede andere. Und manchmal ist das Essen von Menschen eine Überlebensnotwendigkeit im Krieg, bei Hungersnöten, bei Schiffsbrüchen auf kargen Inseln und Flugzeugabstürzen in den Anden.

Ich meine, zumindest für den schwierigsten Teil ein Rezept gefunden zu haben: wie man Finger und Zehen zubereitet, ohne dass sie am Teller wie Finger und Zehen aussehen. Das Rezept ist dasselbe wie für Schweinefüßchen in Aspik.

Hier ist es: Erst die Finger und Zehen mit Gemüse kochen, sodass eine Suppe entsteht. Die Suppe wird wegen der Knorpel und Knochen im Kühlschrank zu Aspik. Die Finger und Zehen nimmt man heraus, wenn das Fleich bissfest weichgekocht ist, und entfernt Nägel und Haut. Danach löst man das Fleisch, gibt es zurück in die Suppe und lässt alles bis zum nächsten Tag im Kühlschrank. Mit frischem Knoblauch und ein wenig Essig servieren, dazu Weißbrot und einen guten Chianti. Filmempfehlung: "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" von Peter Greenaway.

Die größte Ehrung

Das Lob aller Köchinen und Köche dieser Welt, mit oder ohne Hauben – bedeutet mir gar nichts. Ich koche immer aus Liebe, und das einzige Lob, das mir etwas bedeutet, ist das Urteil meiner Freundin. Als sie von ihren Kolleginnen im Volkstheater gefragt wird, wie ich denn koche, sagt sie nur: "Genauso gut wie meine Mama!" (Bogumil Balkansky, 20.12.2016)