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Foto: REUTERS/UMIT BEKTAS

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Der Botschafter von Russland kurz vor dem Attentat. Im Hintergrund ist der mutmaßliche Attentäter zu sehen.

Foto: AP/Burhan Ozbilici

Ankara/Istanbul – Als Andrej Karlow am Montagabend seine Rede begann – ein gewöhnlicher Protokolltermin für einen Botschafter, der ein paar Worte zur Eröffnung einer Fotoausstellung sagen soll –, zog sein Mörder die Pistole aus dem Sakko und feuerte. Als Russlands Botschafter in Ankara zu Boden fiel, in den Rücken getroffen von den Kugeln des Attentäters, schoss dieser weiter auf den bereits schwer verletzten Mann. Und als türkische Sicherheitskräfte den Angreifer inmitten des Chaos "neutralisierten", wie es kurze Zeit später an diesem Montagabend in offiziellen Verlautbarungen hieß, lag ein weiterer Mann tot am Boden mit Einschusslöchern im Hemd. Der Attentäter war ein türkischer Polizist, hieß es bald.

Falls es noch eines Beweises bedurfte, wie tief die Türkei mittlerweile in den Krieg im Nachbarland Syrien verstrickt ist, selbst noch erschüttert bis in die Grundfesten durch den Putsch ihrer Armee vor fünf Monaten, dann ist es die Ermordung von Andrej Karlow.

Racheakt für Syrien-Vorgehen

"Vergesst nicht Aleppo, vergesst nicht Syrien", habe der Attentäter gerufen, berichten Augenzeugen auf Twitter. Die Ermordung des 62-jährigen Karrierediplomaten als Racheakt für Russlands Bombenkrieg in Syrien: Das Attentat in einer Galerie im Regierungsviertel Çankaya bringt die türkische Führung in Verlegenheit. Noch am Montag hatte ein hochrangiger Vertreter des Außenministeriums zurückgewiesen, dass die Türkei und Russland im stillen Einverständnis eine Art Geschäftsabkommen über Syrien getroffen hätten – Moskau lässt die türkische Armee in Nordsyrien einmarschieren; Ankara schweigt dafür zum Bombardement Aleppos, Syriens zweitgrößter Stadt.

Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu saß bereits im Flugzeug nach Moskau, als sich am frühen Abend der Mordanschlag im Zentrum für zeitgenössische Kunst, dem Çağdaş Sanatlar Merkezi, ereignete. Am Dienstag sollen sich die Außenminister der Türkei, Russlands und des Iran in Moskau treffen, um über Aleppo zu beraten. Wieder griff Staatspräsident Tayyip Erdoğan zum Hörer und rief den russischen Präsidenten an. Diesmal ging es nicht um den Waffenstillstand in Ostaleppo und die Evakuierung der Bevölkerung. Erdoğan sprach Wladimir Putin sein Beileid für die Ermordung des Botschafters aus.

Dienstausweis

Der Attentäter kam in Zivil, gut gekleidet und mit einem Dienstausweis. Noch als die Galerie geräumt wurde und ein Spezialkommando den Attentäter einkreiste, war Innenminister Süleyman Soylu am Tatort zur Stelle. Er sprach von einem Terrorakt. Es war der zweite innerhalb weniger Tage nach dem Anschlag vor dem Beşiktaş-Stadion in Istanbul, zu dem der Minister eilte. Ach der UN-Sicherheitsrat bezeichnet den Botschafter-Mord als Terrorakt und verurteilt ihn "auf das Schärfste." (Markus Bernath, 20.12.2016)