Die Hauptrolle in Christian Schwochows Biopic "Paula" über die Malerin Paula Modersohn-Becker spielt Carla Juri

Foto: PANDORA Film Produktion/Martin Valentin Menke / Polyfilm

Wien – Worpswede verhält sich zu Paris in etwa so wie der Schrebergarten zur Wildnis. In der Künstlerkolonie pinselt man Äpfel auf Porzellanteller, melancholische Heidelandschaften, beschauliche Porträts. Präzision und Genauigkeit heißen die Lehrsätze – damit lässt sich im Jahr 1900 natürlich kein Fuß in die Tür zur Moderne kriegen.

In dieses öde künstlerische Klima trampelt die junge Malerin Paula Becker (Carla Juri) hinein wie der Elefant in den Porzellanladen. Becker klatscht die Farbe auf die Leinwand wie der Maurer den Putz. Sie sucht nach Einfachheit, lässt sich leiten von "Empfindung und Gefühl", findet ihre Modelle gar in den bäuerlichen Slums. In den Augen ihres Lehrers Fritz Mackensen ist das nichts anderes als dilettantische Schmiererei. Von Frauen im Allgemeinen und malenden Frauen im Speziellen hält er nicht viel: "Frauen werden nie etwas Schöpferisches hervorbringen, außer Kinder."

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Christian Schwochows gediegenes Biopic Paula erscheint auf den ersten Blick als zwar wenig subtile, aber gut gemeinte Emanzipationsgeschichte. Das grundchauvinistische Klima der Zeit, dem Becker mit ihrem kompromisslosen Lebensweg trotzt, wird in zahllosen Dialogzeilen ausbuchstabiert. Vermeiden will der Film außerdem zwei verbreitete Künstlerinnenklischees, Seelchen und Maniac. Nur kommt er dabei arg vom Regen in die Traufe.

Kichernd mit Farbklecksen

So präsentiert Schwochow einen Kauz von einer Malerin: kichernd, Farbkleckse im Gesicht. Paula, wie sie jovial im Titel heißt, ist schon eine etwas komische Nudel. Sie ist eine Antithese zu den verklemmten Worpsweder Malerbürokraten, ursprünglich, unverstellt, natur- und, ja, sogar ein wenig tiernah. Wiederholt streckt Carla Juri den Kopf schnüffelnd nach vorne, einmal bellt sie sogar.

"Wir heiraten!", kreischen Paula Becker und ihre Freundin Clara Westhoff (Roxane Duran), auch sie eine quirlige Künstlerin. In Worpswede verliebt sich Becker in den frisch verwitweten Maler Otto Modersohn (Albrecht Schuch), Westhoff kommt mit dem Dichter Rainer Maria Rilke (Joel Basman) zusammen.

Für die Künstlerin Becker-Modersohn interessiert sich der Film von da an nur noch im Spiegel ihrer Ehe – und die hat Szenen. Modersohn, der nicht schlecht im Geschäft ist, während seine Frau für die Sammler kocht, erkennt sie nicht – "Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden, Ausdruck wie Kretins", wirft er der frühen Expressionistin an den Kopf.

Auf den Lover kommt es an

Doch weitaus schlimmer als die fehlende Anerkennung wiegt für den Film der Umstand, dass die Ehe auch nach fünf Jahren nicht vollzogen ist. Sexuell verelendet, verlässt Becker-Modersohn ihren Mann und bricht nach Paris auf. (Tatsächlich unternahm sie über die Jahre mehrere Paris-Reisen, auch mit Modersohn, doch im Dienst der Liebesgeschichte nimmt es der Film mit den historischen Fakten nicht so genau).

Fern vom Teufelsmoor beginnt für sie eine hochproduktive künstlerische Phase, wichtiger ist aber: Sie nimmt sich einen Lover. Dem Film ist selbst das nicht Ereignis genug, lieber investiert er seine Energie in die romantische Zusammenführung des entzweiten Paares. Während sich Paula also in gauklerhafter Kulisse – ständig trompetet jemand, fliegen Seifenblasen durch die Luft – kurz ausleben darf, verzehrt sich der zurückgelassene Modersohn vor Sehnsucht, verteidigt seine Frau vor den spießigen Künstlerkollegen, erkennt irgendwann auch ihr künstlerisches Talent, holt sie zurück, schläft endlich mit ihr, macht ihr endlich ein Kind.

Mit 31 Jahren, wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter, stirbt Modersohn-Becker. Für den Film ist das eine runde Sache. Die Paula hat ja nun alles, was sie wollte: drei gute Bilder malen und ein Kind. (Esther Buss, 19.12.2016)