Istanbul – Die türkischen Behörden haben erstmals das Thema Weihnachten aus dem Unterricht an einer deutschen Schule in Istanbul verbannt. "Es gilt nach Mitteilung der türkischen Schulleitung eben, dass ab sofort nichts mehr über Weihnachtsbräuche und über das christliche Fest im Unterricht mitgeteilt, erarbeitet sowie gesungen wird."

So heißt es in einer E-Mail, die die Leitung der deutschen Abteilung des Istanbul Lisesi an das Kollegium schickte und die der dpa vorliegt. Auch die Teilnahme des Schulchors am traditionellen Weihnachtskonzert im deutschen Generalkonsulat am vergangenen Dienstag wurde von der türkischen Schulleitung kurzfristig unterbunden.

Die derzeit 35 deutschen Lehrer des Istanbul Lisesi werden von der Bundesrepublik entsandt und aus Steuermitteln bezahlt, was auf eine jährliche finanzielle Förderung in Millionenhöhe hinausläuft. Das traditionsreiche Elite-Gymnasium wird ausschließlich von türkischen Schülern besucht, ist aber eine anerkannte deutsche Auslandsschule.

Grundlage ist ein Zusatzvertrag zum Kulturabkommen zwischen Deutschland und der Türkei, wonach Deutschland bis zu 80 deutsche Lehrer an bestimmte türkische Schulen entsendet. Das deutsche Kollegium an der Schule hat eine eigene Abteilungsleitung, die aber der türkischen Schulleitung untersteht.

Dementi

Das Istanbul Lisesi hat am Sonntag Nachmittag dementiert, dass die türkische Schulleitung ein Weihnachts-Verbot erlassen habe. Das entspreche nicht der Wahrheit, hieß es in einer am Sonntagabend auf der Homepage der Schule veröffentlichten Mitteilung.

"Nicht im Lehrplan vorgesehen"

Allerdings hätten die deutschen Lehrer im Unterricht "vor allem in den letzten Wochen Texte über Weihnachten und das Christentum auf eine Weise behandelt, die nicht im Lehrplan vorgesehen ist". Sie hätten dabei Aussagen gemacht, "die von außen betrachtet den Weg für Manipulationen freimachen".

Daraufhin habe die türkische Schulleitung "unverzüglich" ein Treffen mit der Leitung der deutschen Abteilung einberufen, heiß es weiter. Dabei seien die deutschen Lehrer aufgefordert worden, solche "Gerüchte" nicht zu befördern. Sie seien außerdem aufgefordert worden, im Sinne der "Zusammenarbeit der beiden Länder" Sensibilität zu zeigen.

Lehrerschaft verunsichert

Kritiker werfen der AKP-Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, traditionell säkular geprägte Schulen wie das Istanbul Lisesi zunehmend auf ihren islamisch-konservativen Kurs zu zwingen.

Der aktuelle Fall stieß am Sonntag auch im Auswärtigen Amt in Berlin auf Unverständnis. "Wir verstehen die überraschende Entscheidung der Leitung des Istanbul Lisesi nicht", hieß es am Sonntag aus dem Auswärtigen Amt: "Es ist sehr schade, dass die gute Tradition des vorweihnachtlichen interkulturellen Austausches an einer Schule mit langer deutsch-türkischer Tradition in diesem Jahr ausgesetzt wurde. Wir nehmen das natürlich mit unseren türkischen Gesprächspartnern auf."

"Nicht hinnehmbar"

Auch die deutschen Grünen kritisierten die Entscheidung. "Ein Verbot des Themas Weihnachten an Schulen ist nicht hinnehmbar, erst recht, wenn sie von Deutschland mitfinanziert werden", sagte der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Omid Nouripour, der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. "Die Bundesregierung muss dies Ankara gegenüber eindeutig klarmachen. Wenn die türkische Regierung darauf nicht eingeht, dann muss die Finanzierung für die Schule eingestellt werden." Nouripour kündigte eine Anfrage an die deutsche Bundesregierung zu dem Thema an.

Im Lehrerkollegium des Istanbul Lisesi herrscht schon seit langem erhebliche Verunsicherung, was den Kurs der Elite-Schule betrifft. Diese Verunsicherung wurde durch die jüngste Anordnung zum Thema Weihnachten nun weiter verschärft. Neben dem Istanbul Lisesi gibt es in Istanbul noch ein deutsches Gymnasium, das Alman Lisesi. Dort sind außer türkischen auch deutsche Schülerinnen und Schüler.

Das türkische Bildungsministerium und die Leitung der deutschen Abteilung des Istanbul Lisesi – die der türkischen Schulleitung untergeordnet ist – äußerten sich auf Anfrage inhaltlich nicht zu der Anordnung. Das Weihnachts-Verbot an der Schule dürfte nur schwerlich in Einklang mit dem Kulturabkommen zu bringen sein. Der Vertrag besagt in Artikel 12: "Die Vertragsparteien werden bemüht sein, sich gegenseitig dabei zu unterstützen, ihren Völkern die Kenntnis der Kulturgüter des anderen Landes zu vermitteln." (APA, dpa, 18.12.2016)