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Wien – Die Mindestsicherung steht auf wackeligen Beinen, da mit Jahresende die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern ausläuft und die Bundesländer keinem neuen Deal zustimmen wollten. Nun steuert Österreich also wieder auf einen Fleckerlteppich in Sachen Sozialhilfe zu.

Die "bedarfsorientierte Mindestsicherung" (BMS), so heißt sie offiziell, besteht seit 2010. Sie ersetzte damals die bis dahin in den Ländern unterschiedlich geregelte Sozialhilfe. Anders als Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Pension ist sie keine Versicherungsleistung, das heißt, dass die Empfänger zuvor keine Beiträge bezahlt haben müssen.

Vermögen muss verbraucht werden

Es ist aber nicht so, dass jeder die Mindestsicherung bekommt: Wer arbeitsfähig ist, muss Jobangebote annehmen. Wer dies verweigert, verliert den Anspruch auf Mindestsicherung. Außerdem muss eigenes Vermögen muss verbraucht werden, bevor Geld vom Staat kommt. Ausgenommen sind nur 4.188,80 Euro, Eigenheime und beruflich benötigte Autos. Ein Wochenendhäuschen oder die Maschine des Motorradliebhabers müssen verkauft werden.

Einzelpersonen erhalten laut der bisherigen Regel den Grundbetrag von zumindest 837,76 Euro und Lebensgemeinschaften bis zu 1.256,6 Euro monatlich. Dazu kommen 150,80 Euro pro Kind. Ausgezahlt wird (im Gegensatz zur Mindestpension) nur zwölf Mal jährlich. Je nach Bundesland können höhere Beiträge sowie Ergänzungsleistungen ausgezahlt werden; Einkommen, Arbeitslosengeld, Unterhaltszahlungen u. ä. werden jeweils angerechnet und reduzieren den Anspruch.

Mit dem Wegfall der grundlegenden Bund-Länder-Vereinbarung fallen diese Grundregeln weg – die Länder können eigene Regeln erstellen, was zu Kürzungen führen kann. Was bleibt, ist aber die Krankenversicherung für Mindestsicherungsbezieher. Der Bund zahlt hier für zumindest zwei Jahre weiter mit. Für große Familien und Flüchtlinge haben bereits die Länder Niederösterreich und Oberösterreich Einschnitte beschlossen.

Im Folgenden der Status und die Pläne der Bundesländer im einzelnen:

OBERÖSTERREICH:

In Oberösterreich gibt seit 1. Juli für befristet Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte nur mehr 520 statt wie bisher 914 Euro – solange man einen Deutschkurs sowie eine Werteschulung absolviert, arbeitswillig ist und nicht gegen die zu unterzeichnende Integrationsvereinbarung verstößt. Ansonsten kann noch der Integrationsbonus von 155 Euro gestrichen werden und der Satz auf 365 Euro sinken. ÖVP und FPÖ versprechen sich einen Kostendämpfungseffekt von über 70 Mio. Euro bis 2019, SPÖ und Grüne erwarten bis dahin maximal 17 Mio. Abgefedert wird das Paket durch zusätzliches Geld für Alleinerziehende und eine verlängerte Wohnmöglichkeit im Grundversorgungsquartier inklusive 40 Euro Taschengeld im Monat sowie einen "Jobbonus", der allen Mindestsicherungsbeziehern zugutekommt.

NIEDERÖSTERREICH:

In Niederösterreich gelten ab Jahreswechsel neue Regeln. Wer seinen Hauptwohnsitz bzw. rechtmäßigen Aufenthalt nicht zumindest in fünf der letzten sechs Jahre in Österreich hatte, erhält dann maximal 572,50 Euro – genannt "BMS light". Eingeführt wird auch eine Verpflichtung für Mindestsicherungsbezieher zu gemeinnützigen Hilfstätigkeiten, sofern nicht zeitgleich das Arbeitsmarktservice (AMS) Maßnahmen anordnet. Außerdem wird die Mindestsicherung mit 1.500 Euro pro Haushalts- bzw. Wohngemeinschaft gedeckelt. Ausnahmen gibt es für Personen, die Pflegegeld oder erhöhte Familienbeihilfe beziehen, oder die dauernd arbeitsunfähig sind.

BURGENLAND:

Auch im Burgenland dürfte es zu einem solchen Deckel kommen. Die Regierungsparteien SPÖ und FPÖ treten beide dafür ein – und auch für mehr Sach- und weniger Geldleistungen. Die Verhandlungen über die Novelle zum Mindestsicherungsgesetz sollen bald beginnen und kommendes Frühjahr in Kraft treten. Im Vorfeld hat sich Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) dafür ausgesprochen, bei Asylwerbern einen Teil der Mindestsicherung an das Erlernen der deutschen Sprache zu knüpfen. Die FPÖ will den Bezieherkreis möglichst einschränken, kündigte Klubobmann Geza Molnar an. Die oppositionelle ÖVP fordert, die volle Mindestsicherung erst nach fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich auszuzahlen, wobei es bei der Fünfjahresfrist eine Rückwirkung geben soll.

STEIERMARK

In der Steiermark hofft man noch auf eine bundesweite Vorgabe. Der steirische ÖVP-Chef und LH-Vorsitzende Hermann Schützenhöfer habe zuletzt Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und seinen Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) "dringlich gebeten", dass es zu weiteren Verhandlungsrunden in Sachen Mindestsicherung kommen soll, hieß es aus seinem Büro. Er bekräftigte seinen Wunsch nach einer Art "Mantel" und fügte mit Blick auf Jänner hinzu: "Die Welt hört ja nicht zum 31. Dezember auf."

Im September wurden bereits beschlossen, dass bei Missbrauch rasch Sanktionen verhängt werden können: Wenn etwa eine Arbeit nicht angenommen wird oder ein Bezieher nicht beim AMS erscheint, wird in einem ersten Schritt die Leistung um 25 Prozent gekürzt, weitere Reduzierungen sind möglich. Der Grundbetrag beträgt 837 Euro. Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine "Integrationshilfe" in der Höhe von 628 Euro, die Differenz zur Mindestsicherung wird in Form von Sachleistungen gewährt. Der Erhalt der Integrationshilfe ist an Bedingungen geknüpft wie dem Besuch von Deutsch- und Wertekursen.

KÄRNTEN

Auch in Kärnten sind laut Sozialreferentin Beate Prettner (SPÖ) "Anpassungen" geplant. Asylberechtigte sollen nur mehr einen Sockelbetrag von 520 Euro fix bekommen, die gut 300 Euro auf die volle Mindestsicherung soll als Integrationsbonus, etwa für die Teilnahme an Deutsch- und Wertekursen, ausgezahlt werden. Prettner will Integrationsverweigerung, mit der sie in Zukunft verstärkt rechnet, sanktionierbar machen.

Für "Aufstocker" soll es laut Prettner über "einen Toleranzzeitraum von vielleicht einem Jahr" einen Toleranzbetrag von 150 Euro geben, den sie dazuverdienen dürfen, ohne dass die Mindestsicherung entsprechend gekürzt wird. Außerdem steht noch eine Reparatur an: Beziehern der erhöhten Familienbeihilfe – dies betrifft hauptsächlich beeinträchtigte Personen – wurde diese bisher voll von der Mindestsicherung abgezogen, das soll geändert werden. Die Gesetzesänderung soll bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode im Frühjahr 2018 umgesetzt werden.

WIEN:

In Wien wird – auch angesichts der Verschärfungen in Niederösterreich – über die Einführung einer "Wartefrist" für Mindestsicherungsbezieher diskutiert. Damit soll verhindert werden, dass Personen aus Bundesländern mit niedrigeren Leistungen in die Hauptstadt abwandern.

Zuletzt mussten in der Bundeshauptstadt die Mittel nachdotiert werden. Nötig war eine Aufstockung um 130 Mio. Euro, was unter anderem mit der Wirtschaftslage und der Zunahme an bezugsberechtigten, anerkannten Flüchtlingen begründet wurde. Insgesamt werden heuer rund 198.000 Personen unterstützt werden, hieß es zuletzt aus dem Rathaus. Die Gesamtkosten schlagen mit 664 Mio. Euro zu Buche.

TIROL:

Anders als im Bund könnte es in den westlichen Bundesländern Tirol, Salzburg und Vorarlberg noch eine einheitliche Lösung geben. Laut jüngsten Auskünften aus diesen Ländern verhandelt man derzeit über ein gemeinsames Modell der "Westachse".

Im schwarz-grün regierten Tirol mehrten sich zuletzt in der ÖVP Stimmen, die der Idee einer Kürzung wie in Nieder- und Oberösterreich etwas abgewinnen konnten. Druck machte vor allem der Wirtschaftsflügel der Volkspartei. Die Grünen sahen hingegen diesbezüglich keinen akuten Handlungsbedarf. Bei einer Regierungsklausur im September hatte sich Schwarz-Grün auf einige Nachschärfungen wie etwa eine Obergrenze bei Wohnkosten geeinigt. In Tirol werden mit 809 Euro pro Haushalt die höchsten Leistungen österreichweit ausbezahlt.

VORARLBERG:

Keinen Deckel gibt es derzeit auch in Vorarlberg. Für Asylberechtigte gibt es "Integrationsvereinbarung", die jeder Betroffene unterschreiben muss. Bei Arbeits- oder Integrationsverweigerung wird die Mindestsicherung gekürzt. Ganz vom Tisch scheint ein Deckel in Höhe von 1.500 Euro aber nicht: Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte durchklingen lassen, sich derartiges vorstellen zu können. Ein Nein hatte es dazu vorerst vom grünen Koalitionspartner gegeben; ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück verwies aber zuletzt auf "gute und richtige" Gespräche mit dem Koalitionspartner.

Die Vorarlberger Landesregierung will jedenfalls noch vor dem Ende des Jahres eine Regelung zur Mindestsicherung vorlegen. Bei den Verhandlungen stütze man sich auf zwei Eckpfeiler: Arbeit soll sich lohnen sowie "eine Unterscheidung zwischen Menschen, die schon länger im Land leben und jenen, die von der Grundversorgung in die Mindestsicherung kommen", so Frühstück gegenüber der APA. Einer einheitlichen Lösung der westlichen Bundesländer steht der Klubchef positiv gegenüber, hält sie aber nicht für "zwingend".

SALZBURG:

Abgewartet wird vorerst in Salzburg. "Es bleibt, wie es ist, es gibt keinen konkreten Handlungsbedarf", sagte eine Sprecherin von Sozial-Landesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) auf Anfrage der APA. Man habe sich in der Landesregierung darauf verständigt, die bisherige Regelung so weiter laufen zu lassen und die Auswirkungen zu beobachten. Sollte sich dann zeigen, dass Änderungen sinnvoll oder notwendig sind, werde man diese im Frühjahr vornehmen.

Im Büro von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) wurde dies bestätigt. Zu der Ankündigung des Tiroler Landeshauptmannes Günther Platter (ÖVP), in der Frage der Mindestsicherung eine "Westachsen"-Lösung mit Vorarlberg und Salzburg zu suchen, sagte ein Sprecher Haslauers, dass es derzeit Gespräche auf Klubebene gebe. Raschen Handlungsbedarf gebe es aber nicht. Außerdem werde man sich auf jeden Fall mit den Koalitionspartnern abstimmen. (red, APA, 17.12.2016)