Bild nicht mehr verfügbar.

Bilder des libanesischen TV-Senders Al Mayadeen, der der syrischen Regierung nahesteht, zeigten Explosionen und Rauch in Aleppo.

Foto: Ap

Bild nicht mehr verfügbar.

Busse der syrischen Regierung warteten in Aleppo auf Menschen aus den bisherigen Rebellengebieten. Die Evakuierung ist bisher nicht in Gang gekommen.

Foto: Reuters / Omar Sanadiki

Aleppo/Damaskus/Washington – Im Osten der syrischen Stadt Aleppo hat es trotz einer Waffenruhe zwischen Regierung und Rebellen am Mittwochvormittag neue Kämpfe gegeben. Die syrische und die russische Regierung machten die Aufständischen für die neue Gewalt verantwortlich. Die Rebellen hingegen teilten mit, dass Regierungstruppen den Beschuss wiederaufgenommen hätten. Aus den betreffenden Stadtteilen wurden "heftige Auseinandersetzungen" gemeldet. Zudem gab es auch vorerst unbestätigte Meldungen über neue Luftangriffe. Der Widerstand der Rebellen könnte noch zwei oder drei Tage anhalten, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow.

Bei den Kämpfen ist auch das christliche Viertel in Westaleppo am Dienstag erneut unter Raketenbeschuss geraten. Unter anderem sei eine Rakete im Jesuitenkonvent eingeschlagen, berichtete der katholische Pfarrer von Aleppo, Franziskanerpater Ibrahim al-Sabagh, nach Angaben von Kathpress. Rund 500 Rebellenkämpfer haben sich nach Angaben des Franziskaners auf einem Gebiet von rund einem Quadratkilometer verschanzt und von dort aus den Westen der Stadt beschossen.

Kapitulation abgelehnt

Problematisch seien auch bewaffnete kurdische Kämpfer in Teilen der Stadt sowie korrupte regierungstreue Milizen. Ferner gebe es einen von der syrischen Armee umkreisten Bereich von mehreren Quadratkilometern, in denen Kämpfer der Jabhat Fatah al-Sham (früher als Nusra-Front mit der Al-Kaida verbündet) sowie einer weiteren Gruppe die Kapitulation ablehnten.

Das staatliche syrische Fernsehen meldete, dass sechs Menschen von Schüssen der Rebellen getötet worden seien. Aufseiten der Rebellen war von mehreren Toten und rund Verletzten die Rede.

Vorerst keine Evakuierung

Die Evakuierung des bisher von Rebellen gehaltenen Stadtteils kam Mittwochfrüh vorerst nicht nicht in Gang und steht mittlerweile wieder insgesamt infrage. Nach Angaben eines Mitarbeiters der Agentur Reuters, der sich in Aleppo befindet, standen mehr als 20 Busse über Nacht bereit, um die Menschen aus dem Gebiet zu bringen. Am Vormittag meldete die Agentur AP, dass die Busse wieder in ihre Garagen zurückkehrten, was als Zeichen für ein mögliches Scheitern des Deals insgesamt gewertet wurde.

Von der syrischen und der russischen Regierung gab es dafür zunächst keine Erklärung. Die Rebellen gaben hingegen an, dass iranische Milizen die Bemühungen verhindern würden, die Einigung auf einen Waffenstillstand bleibe aber aufrecht. Es sei allerdings möglich, dass die Evakuierung erst am Donnerstag beginne.

Probleme mit dem Deal

Die BBC meldete in der Früh einen anderen Grund für die Verzögerung. Offenbar war in der Darstellung der syrischen Regierung als Teil der Vereinbarung für eine Evakuierung ein gleichzeitiges Ende der Belagerung der Orte Foah und Kefraya in der Provinz Idlib vereinbart worden, deren 12.500 Bewohner seit März 2015 von der Jabhat Fatah al-Sham am Verlassen gehindert werden. Diese habe bisher aber nicht begonnen. Im Gegenteil meldete die Syrische Bebachtungsstelle für Menschenrechte, die einigen Rebellengruppen nahesteht, die Fatah al-Sham habe begonnen, die beiden Ortschaften zu beschießen.

Zudem soll die syrische Regierung die Übergabe gefangener Soldaten und der sterblichen Überreste getöteter Kämpfer gefordert haben.

Ein Sprecher der Uno bestätigte am Vormittag diese Angaben im Grundsatz. Ein Verterter der Rebellen sagte aber, die Forderung komme aus dem Iran und sei nicht Teil der ursprünglich Vereinbarung gewesen. Unabhängig davon haben in den vergangenen 24 Stunden 6.000 Menschen das bisherige Rebellengebiet auf irregulärem Weg verlassen, teilte das russische Verteidigungsministerium in der Früh mit. Zusätzlich hätten 366 Kämpfer ihre Waffen niedergelegt und sich zurückgezogen.

Der türkische Präsident Tayyip Erdogan hat wegen der Probleme ein Telefonat mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin angekündigt. Die syrischen Regierungstruppen hätten die vereinbarte Waffenruhe verletzt, sagt Erdogan am Mittwoch. Präsident Bashar al-Assad begehe in Ost-Aleppo Kriegsverbrechen. Aus dem Kreml verlautete, das Gespräch zwischen Erdogan und Putin bezüglich Aleppo werde noch am Mittwoch stattfinden, meldete die russische Nachrichtenagentur Ria.

Wartende Busse, wartende Menschen

In den letzten von Rebellen gehaltenen Vierteln Ostaleppos, insbesondere in al-Mashad, warteten seit der Früh zahlreiche Menschen auf Neuigkeiten über die Busse. Bei den meisten soll es sich um Zivilisten handeln. Viele von ihnen hatten die Nacht unter freiem Himmel verbracht, weil sie wegen der Zerstörungen obdachlos sind.

Am Dienstagabend waren bereits sechs Busse nach Salaheddin gefahren, kamen aber leer zurück. Nach Angaben von Rebellen sollten zuerst die Verletzten und Zivilisten in Sicherheit gebracht werden, dann Rebellen mit leichten Waffen, die entweder in den Westen der Provinz Aleppo oder in die Provinz Idlib im Nordwesten gelangen sollten. Die Vereinbarung zur Evakuierung Ostaleppos war am Dienstag von Rebellengruppen verkündet und von Russland und der Türkei bestätigt worden.

USA: Nicht das Ende des Krieges

Das US-Außenministerium teilte mit, dass es von Russland oder der Türkei nicht einbezogen worden sei. "Selbst wenn das das Ende der Belagerung von Aleppo ist, ist es nicht das Ende des Krieges in Syrien. Er wird weitergehen. Die Opposition wird weiterkämpfen und Exremisten werden weiter das Machtvakuum ausfüllen, das es in so vielen Orten in Syrien gibt", sagte Ministeriumssprecher John Kirby.

Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin hatte am Dienstagabend verkündet, dass die Regierungstruppen die vollständige Kontrolle über die Stadt übernommen hätten. Die Rebellenviertel Ostaleppos waren zuvor vier Wochen lang von der syrischen Armee und ihren Verbündeten bombardiert worden.

Die Angaben darüber, wie viele Menschen sich noch in den bisherigen Rebellengebieten befinden, gehen weit auseinander. Der Syrien-Beauftragte der Uno, Staffan de Mistura, sprach Mittwochabend von einer Schätzung von rund 50.000. Zusätzlich sprach er von etwa 1.500 Rebellen, wovon ein Drittel der Jabhat Fatah al-Sham angehöre, die mit der Al-Kaida verbündet war.

Angaben der syrische Regierung liegen darunter, jene einiger Hilfsorganisationen deutlich darüber. Die Gruppe Medecins du Monde (Ärzte der Welt) sprach von 100.000 Menschen auf einem Gebiet von lediglich fünf Quadratkilometern.

Gratulation aus dem Iran

Der Iran beglückwünschte unterdessen Syrien zu seinem Sieg. "Wir gratulieren dem syrischen Volk zum Erfolg gegen die Terroristen und Elemente unruhestiftender Regierungen und zur Befreiung Aleppos", sagte Parlamentspräsident Ali Larijani laut der Nachrichtenagentur Isna am Mittwoch. Der Iran werde auch weiterhin sowohl Syrien als auch den Irak im Kampf gegen Terroristen unterstützen. (Reuters, red, APA, 14.12.2016)