Der russische Geheimdienst hat Filmaufnahmen von Sexszenen in einem Moskauer Hotelzimmer, die einen großen Amerikaner mit Orangehaar zeigen.

Das ist mit größter Wahrscheinlichkeit nicht wahr, ist aber heißer Gesprächsstoff auf allerlei Blogs und in der politisch-journalistischen Klasse. Jenseits solcher Geschichten gibt es Fakten, die uns Europäer nervös machen sollten.

Faktum 1: Die CIA ist zu der Überzeugung gelangt, dass der russische Geheimdienst die US-Wahlen durch Hacks in den demokratischen und republikanischen Parteizentralen zugunsten von Trump beeinflusst hatte. Die unangenehmen Enthüllungen über Hillary Clinton wurden über Julian Assanges Wikileaks hinausgespielt; die über die Republikaner nicht. Wikileaks ist inzwischen nicht viel mehr als ein Instrument der russischen Desinformationspolitik geworden.

Donald Trump hat sich über diese Berichte der CIA (und anderer US-Geheimdienste) lustig gemacht. Andererseits hat er Putin schon vorher als "strong leader" gelobt und eine generell freundliche Haltung ihm gegenüber eingenommen.

Faktum 2: Seine beiden wichtigsten sicherheitspolitischen Ernennungen sind ausgesprochen russland- und putinfreundliche Personen: Der neue Außenminister soll Exxon-Mobil-Chef Rex Tillerson werden. Der Boss des Ölmultis hat riesige Geschäfte mit Russland gemacht, sich gegen die Sanktionen ausgesprochen und ist seit 2012 Träger des russischen "Freundschaftsordens". Das sind andere westliche Manager auch – zum Beispiel Peter Löscher, Aufsichtsratschef der OMV –, aber die werden nicht Außenminister einer Supermacht.

Zum nationalen Sicherheitsberater hat Trump den General Michael T. Flynn gemacht, der zu bizarren Verschwörungstheorien neigt, als Chef des US-Militärgeheimdienstes gefeuert wurde und danach von Putin hofiert und bei seinem Propagandasender Russia Today als "Experte" bezahlt wurde.

Faktum 3: Trump hat sich im Wahlkampf wiederholt abfällig über die Nato geäußert ("überholt") und angedeutet, er würde die Beistandsverpflichtung nicht ernst nehmen. Etwa wenn sich Putin nach dem Vorbild der Krim Teile des alten sowjetischen Imperiums, zum Beispiel die baltischen Staaten, wieder zurückholen wollte.

Europa ist auf Trumps Agenda weit unten, auf der Putins weit oben. Der russische Autokrat meint, er hätte bereits die Ukraine an die EU "verloren". Er will daher die Europäische Union schwächen und unterstützt daher europafeindliche Rechtspopulisten wie Marine Le Pen mit Geld und, im Fall der FPÖ, mit indirekten Kontakten.

Gleichzeitig fährt Putin über seine Outlets wie die "Trollfabrik" in St. Petersburg Fake-News-Kampagnen, um europäische Politiker wie Angela Merkel zu unterminieren. Merkel ist die Einzige, die ihm bisher einigermaßen wirksam Paroli geboten hat.

Europa befindet sich also in einer möglichen Zange zwischen einem desinteressierten, bestenfalls sprunghaften Trump und einem mehr als interessierten, zielstrebigen Putin. (Hans Rauscher, 13.12.2016)