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Es geht (auch) um die Wurst: Ein neues Forschungsprogramm widmet sich Fragen rund um Sicherheit, Qualität und Nachhaltigkeit bei Produktion, Verarbeitung und Vertrieb von Lebensmitteln in Österreich. Profitieren sollen Konsumenten wie Produzenten.

Foto: AP / Michael Sohn

Tulln – Nichts kommt uns buchstäblich so nahe wie die Nahrung, die wir uns einverleiben. Deshalb müssen wir uns auch darauf verlassen können, dass sie ordnungsgemäß produziert und verarbeitet wurde. Das Grundvertrauen in die Qualität und Bekömmlichkeit von Lebensmitteln wird allerdings immer wieder erschüttert: zum Beispiel durch Listerien, die beim Melken, Schlachten oder Weiterverarbeiten in die Rohmilch, den Weichkäse oder das Fleisch geraten. So starben 2010 in Österreich und Deutschland acht Menschen nach dem Konsum von mit Listerien verseuchtem Quargel.

Folgenschwere Verunreinigungen können an jedem einzelnen Punkt der langen Lebensmittelkette passieren – auf dem Feld, wo die Pflanze gezogen und gedüngt wird, beim Füttern der Tiere, bei der Fleischverarbeitung und sogar bei der Verpackung. Man denke nur an die gefährlichen Phthalate, die als Kunststoffweichmacher auch in Lebensmittelverpackungen nachgewiesen wurden.

"95 Prozent aller Vorfälle im Bereich der Lebensmittelsicherheit haben mit Mikrobiologie zu tun", sagt Martin Wagner vom Institut für Milchhygiene der Vetmed-Uni Wien. Um hier die Forschung voranzutreiben, wurde von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG kürzlich der Startschuss zur Einrichtung des ersten Kompetenzzentrums zur Sicherung der Futter- und Lebensmittelproduktion (FFoQSI) am Campus Tulln gegeben. Wagner, wissenschaftlicher Leiter des neuen Zentrums, beschreibt die Stoßrichtung der geplanten Aktivitäten so: "Wir werden vor allem an neuen Verfahren in der Mikrobiologie, der physikalisch-chemischen Analytik und der Bioanalytik arbeiten, um Risiken in der Lebensmittelkette schneller zu erkennen und zu vermeiden."

Konkret will man etwa neue Konzepte zum Pflanzenschutz oder zur Erkennung von Tierkrankheiten erarbeiten. Wagner: "Damit die Produzenten Pflanzenkrankheiten möglichst früh auf dem Feld erkennen können, sollen etwa entsprechende Systeme mit Drohnen, hochauflösenden Kameras und neuen Mustererkennungstechnologien entwickelt werden." Auch die Verarbeitung steht auf der Agenda: "Da man viel Strom zum Erhitzen von Produkten benötigt, werden wir uns zum Beispiel auch mit nichtkonventionellen Möglichkeiten wie der ohmschen Erhitzung beschäftigen." Bei diesem elektrothermischen Verfahren beruht die Hitzebehandlung etwa von Fleisch- oder Wurstwaren auf der kurzen, weil direkten Durchleitung von Strom durch das Produkt.

Andere Forschungsprojekte sollen sich mit den Grundlagen der Milchwirtschaft beschäftigen. Dabei geht es unter anderem um die rechtzeitige Erkennung einzelner kranker Kühe in einer Herde, um nicht sämtliche Tiere mit Antibiotika behandeln zu müssen. Für die Beurteilung der Eutergesundheit ist etwa die Anzahl von Zellen wie Leukozyten, Phagozyten oder Epithelzellen in der Milch ein wichtiger Parameter.

Breites Forschungsspektrum

"Dieser Wert ist in Österreich durchschnittlich sehr niedrig", so Wagner. "Nun wollen wir untersuchen, inwieweit eine niedrige Zellzahl mit dem Antibiotikaverbrauch beziehungsweise der Anzahl veterinärmedizinischer Interventionen korreliert." Im neuen Forschungsverbund sollen aber auch Systeme erforscht und weiterentwickelt werden, mit deren Hilfe allein an den Bewegungsmustern eines Tieres Rückschlüsse auf dessen Gesundheitszustand möglich sind.

Um dieses breite Spektrum an Forschungsvorhaben abdecken zu können, werden am FFoQSI die Erfahrungen und das Know-how von sechs Forschungspartnern miteinander verknüpft: Neben der Vetmed-Uni Vienna sind auch die Universität für Bodenkultur Wien, die FH Oberösterreich, das Austrian Institute of Technology, die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und das Research Center for Non Destructive Testing am neuen Zentrum beteiligt.

Stärkere Vernetzung

Für die nötige Praxisnähe sollen die insgesamt 34 Wirtschaftspartner sorgen, die mit ihren spezifischen Problemstellungen die Wahl der Forschungsthemen mitbestimmen. Sie sind es auch, die neben den Konsumenten letztlich von den neuen Technologien und Methoden langfristig profitieren sollen. "Zurzeit beschäftigen wir uns allerdings erst mit den organisatorischen Vorarbeiten, der eigentliche Start ist für 2017 geplant", sagt Wagner.

Gemessen an der großen Bedeutung der Nahrungsmittelproduktion und -verarbeitung für die österreichische Wirtschaft wurde in diesem Bereich bislang vergleichsweise wenig in die Forschung investiert. Das soll sich mit dem neuen Kompetenzzentrum ändern. Angepeilt wird zudem eine strukturierte Vernetzung aller Akteure, die in den langen Weg eines Nahrungsmittels vom Feld oder Stall auf den Teller involviert sind. (Doris Griesser, 18.12.2016)