Peter Pilz hat eine Vision. Und sich selbst eine Aufgabe gestellt: Er will den Grünen, deren Abgeordneter er seit mittlerweile 30 Jahren ist, einen "linken Populismus" verordnen. Damit nervt Pilz vor allem seine Parteichefin Eva Glawischnig, aber auch etliche andere Parteifreundinnen. Populismus sei per se kein taugliches Instrument in der Politik, so das Gegenargument, weil er auf Verkürzung und Vereinfachung setze und letztendlich immer mit Sündenböcken agiere. Da ist was dran. Dass Populismus aber durchaus auch ein erfolgreiches Instrument zur Stimmenmaximierung sein kann, wie das die Rechten in ganz Europa und wie das die Freiheitlichen in Österreich recht nachdrücklich praktizieren, ist ebenso richtig. Die Frage ist, ob es einen guten und einen schlechten Populismus geben kann – und wer das bestimmt.

Gefangen in der Blase

Womit Pilz jedenfalls recht hat: Die Grünen sind zu sehr in ihrer eigenen Blase gefangen, sie haben vielfach den Kontakt zu den Bürgern verloren oder finden erst gar keinen zu jener Wählerklientel, die außerhalb ihrer Wahrnehmung lebt. Das sind vor allem jene Menschen, denen die Ökologisierung der Wirtschaft an ihrer Lebensrealität vorbeigeht, weil sie ganz andere Probleme haben: Arbeitslosigkeit, die Verdrängung vom Arbeitsmarkt, Zukunftsängste, zu hohe Kosten für das Wohnen, vieles davon ist verbunden mit einer oft diffusen Angst vor Ausländern, vor Flüchtlingen. Diese Menschen haben in der Regel nicht viel, und sie leben in der Sorge, dass ihnen das wenige noch abhandenkommen könnte. Für diese Menschen haben die Grünen keine Antworten. Die Freiheitlichen dagegen schon, auch wenn diese oft nicht richtig sind und von einer Schlichtheit getragen sind, die man eben Populismus nennt.

Hinaus zu den Stammtischen

Pilz will seine Partei hinausschicken zu den Stammtischen, um dort zu diskutieren und zu überzeugen. Ob man in den Wirtshäusern allerdings jene Menschen antrifft, die einem politischen Diskurs zugänglich sind und für einen Austausch von Argumenten empfänglich sind, ist eher zweifelhaft. Und ob man am Stammtisch tatsächlich so viele Wähler antrifft, die für einen Wahlausgang entscheidend sein können, darf ebenfalls in Frage gestelltv werden. Die Abschottung der Grünen in einer Funktionärsclique, wo immer alle recht haben, einander auf die Schulter klopfen und ohnedies alles besser wissen, wird allerdings ebenfalls nicht zu einer Verbreiterung der Wählerschaft beitragen.

Diese Diskussion müssen die Grünen führen. Dieser Diskussion muss sich auch Eva Glawischnig stellen, sie wird sich auch die Frage gefallen lassen müssen, ob sie noch die richtige Person an der Spitze ihrer Partei ist. Die Aussagen von Pilz sind sicher nicht "verzichtbar", wie Glawischnig meint. Es sind vielleicht nicht die richtigen und die klügsten Argumente, die Pilz vorbringt, und seine Rhetorik der Brechstange mag nicht hilfreich sein, die Diskussion offen zu führen. Aber offensichtlich ist, dass sich die Grünen mit ihrer Positionierung, mit ihrem Zugang zu den Menschen, mit ihrer Methodik und den Bildern, die sie transportieren, auseinandersetzen müssen. Nicht weil Pilz das sagt, sondern obwohl er das sagt.

Schmerzhafte Debatte

Diese Debatte mag lästig sein, sie wird mühsam sein, sie wird auch schmerzhaft sein. Mit dem Einigeln in persönlichen Befindlichkeiten, dem Austausch von Gehässigkeiten und dem medialen Plakatieren von Schlagwörtern wird es jedenfalls nicht getan sein. Die Grünen wären gut beraten, einen Selbstfindungsprozess aufzusetzen, ihren Standort noch einmal zu bestimmen – und ihn infrage zu stellen. Dazu gehört auch, widersprüchliche Argumente zuzulassen und sich damit auseinanderzusetzen. Das kann ein langfristiger Prozess sein, aber er muss in Gang gesetzt werden: Die nächsten Wahlen kommen bestimmt. (Michael Völker, 13.12.2016)