Imminente Probleme werden zu wenig konkret angesprochen.

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Einerseits hört man immer wieder haarsträubende Geschichten von voll integrierten Familienvätern, die aufgrund irgendwelcher bürokratischer Komplikationen abgeschoben werden sollen oder von Leuten, die sich ernsthaft um die österreichische Staatsbürgerschaft bemühen aber mit lächerlichen Fragen wie: "Wann wurde die erste Wiener Hochquellenwasserleitung eröffnet?" schikaniert werden.

Andererseits haben viele Europäer das Gefühl, dass religiös fanatisierte oder gewalttätig gewordene Zuwanderer nicht mit derselben Strenge des Gesetzes konfrontiert werden wie normale Mitbürger. Hier liegen aber die Wurzeln, aus denen der sogenannte Rechtspopulismus seine Kraft schöpft. Die Kindergärtnerin oder Volksschullehrerin, die vom Vater eines Problemkindes nicht als Gesprächspartnerin akzeptiert wird, die Pädagogin, die vielleicht sogar selbst Opfer aggressiver Übergriffe wurde, gehören zu den Trägern der Alltagserfahrungen, aus denen die Wahlerfolge rechts stehenden Parteien erwachsen. Mit einer rechtzeitig und eindeutig kommunizierten Haltung: "Keine Schikanen, aber auch keine falsche Nachsicht" hätten die traditionellen Parteien der politischen Mitte längst schon punkten können. Auch jetzt noch scheint das der erfolgversprechendste Weg.

Probleme ansprechen

Es fehlt aber zum Teil immer noch an der intellektuellen Redlichkeit in der Wahrnehmung der Probleme. Von den liberalen Medien wurde Donald Trump beispielsweise monatelang als bloßer rüpelhafter Narr dargestellt. Dass er als einziger auf die Überfremdungsängste der unteren Mittelschicht in einer für diese verständlichen Sprache reagierte, blieb ein Tabuthema. Und als die feministische Journalistin Alice Schwarzer in einer der unzähligen Diskussionssendungen nach der US-Wahl auf die provokatorische Rolle des politischen Islam hinwies, wurde ihr rasch das Wort entzogen.

Man sollte sich aber im Klaren sein, dass die zu den rechtspopulistischen Parteien abgedrifteten Wähler mehrheitlich keiner radikalen rassistischen Agenda folgen, sondern nur das gewohnte laizistische Gesellschaftsmodell bewahren wollen. Eine Verpflichtung zum Schwur auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit ihrer rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau wäre jenen Migranten, die bleiben wollen, durchaus zumutbar und jedenfalls sinnvoller als Fragen nach der Wiener Hochquellenwasserleitung. (Robert Schediwy, 14.12.2016)