Schon nach den Erfolgen der prorussischen Kandidaten bei den jüngsten Präsidentenwahlen in Bulgarien und der Republik Moldau hat man in den westlichen Zeitungen, so auch in der Neuen Zürcher, zu Recht vermutet, dass man sich im Kreml angesichts der "Triumphe von Putins Freunden" die Hände reibe.

Nach den Ereignissen der letzten Wochen ist die Versuchung sehr groß, sogar von einem "politischen Frühling" im Winter im Kreml zu sprechen. Wer hätte das noch vor einem Jahr gedacht, dass politische Hasardeure wie David Cameron in London, François Holland in Paris und Matteo Renzi in Rom durch ihre Flucht nach vorn die ganze Zukunft der europäischen Integration ins Wanken bringen könnten. Noch absurder schien die Möglichkeit, dass eine Figur wie Donald Trump ins Weiße Haus einziehen würde.

Dass sich bei den französischen Republikanern François Fillon durchsetzen konnte, schien diesem Schlüsselland der EU die Chance zu geben, im nächsten Jahr Marine Le Pen, die Chefin des Front National, als Präsidentin zu verhindern. Es stellte sich allerdings bald heraus, dass dieser ehemalige Ministerpräsident ein Duzfreund Wladimir Putins ist und enge Kontakte mit russischstämmigen Beratern pflegt. Indessen bestätigte der US-Geheimdienst die Befürchtungen, dass Russland durch Hackerangriffe die amerikanische Wahlkampagne zugunsten Trumps beeinflusst hatte.

Die Spekulationen über die angeblich bevorstehende Ernennung zum Außenminister des Chefs des in Russland massiv engagierten Ölunternehmens Exxon-Mobil, dem Putin sogar einen Orden verliehen hat, trugen zu einer Atmosphäre des Verdachts und der Unsicherheit in Washington und wohl auch im Nato-Hauptquartier in Brüssel bei.

Wenn es auch irreal und unklug wäre, nach Brexit und Trumps Sieg Deutschland als führungsstarkes Zentrum einer vom Zerfall bedrohten EU zu betrachten, soll man doch die Informationen in einem großangelegten dokumentarischen Bericht der Frankfurter Allgemeinen beachten, wonach Deutschland seit zwei Jahren in den Fokus des russischen Informationskrieges geriet. Vor allem die Haltung der Kanzlerin Angela Merkel, die der russischen Aggression nach der Annexion der Krim in der Ukraine ruhig, aber standfest Paroli geboten hat, gilt als Störfaktor in den Augen jener, die sie und die EU diskreditieren wollen.

Der tschechische Russlandexperte Jakub Janda, der beim Institut Europäische Werte in Prag die russische Desinformationskampagne untersucht, erwartet im Wahljahr 2017 eine massive Einflusskampagne des Kremls: "Putin wird den ganzen Werkzeugkasten der Propaganda und Desinformation nutzen, um im Wahlkampf gegen Angela Merkel vorzugehen. Man werde die Kanzlerin für alle Probleme mit den Migranten verantwortlich machen, um sie zu schwächen." (FAZ, 17. 12.)

Die Herausforderung durch die blendend organisierte Meinungsmache aus Moskau wird allerdings in der EU ignoriert oder unterschätzt, obwohl der Kreml den Auslandsfernsehsender RT und das in mehr als dreißig Sprachen operierende Mediennetzwerk Sputnik allein in diesem Jahr mit rund 340 Millionen Euro finanziert. (Paul Lendvai, 12.12.2016)