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Dezember 2013: Ein Laster voller Abfall ist unterwegs zur Mülldeponie Malagrotta nahe Rom. Diese wurde 2015 geschlossen, für Ersatz wurde bis heute nicht gesorgt.

Foto: Reuters/Alessandro Bianchi

Wien/Rom – Der erste Güterzug mit rund 750 Tonnen römischen Mülls ist Anfang Dezember in Richtung Österreich gerollt, erklärte die zuständige Stadträtin Paola Muraro. Zunächst seien ein bis zwei Konvois pro Woche vorgesehen; später könnten die Züge auch täglich verkehren. Das Ziel der Güterzüge aus der Ewigen Stadt ist die Gemeinde Zwentendorf, wo der Müll in der Müllverbrennungsanlage des niederösterreichischen Entsorgers EVN verbrannt werden soll. Bereits heute exportiert Rom einen Teil seines Mülls nach Norditalien.

Abnehmerland Österreich

Es ist keineswegs das erste Mal, dass Abfall aus Italien in Österreich entsorgt wird: Schon 2013 und 2014 entluden Güterzüge aus dem Belpaese ihre häufig stinkende Fracht in Zwentendorf. Damals kamen die Züge noch aus Neapel, das sein Müllproblem, das in der ganzen Welt Schlagzeilen gemacht hatte, auf diese Weise löste. Nun ist also Rom an der Reihe: In der italienischen Hauptstadt ist der Müllnotstand zwar noch nicht so akut, wie er es am Fuß des Vesuvs einst gewesen war, aber von einer funktionierenden Müllentsorgung kann auch in Rom keine Rede sein.

In Rom fallen täglich rund 5000 Tonnen Müll an. Bis vor kurzem wurde der Abfall jahrzehntelang in der Deponie Malagrotta entsorgt. Malagrotta war die größte offene Mülldeponie Europas und nach EU-Recht vollständig illegal – im Volksmund wurde der gigantische Abfallhaufen vor den Toren der Stadt auch der "achte Hügel Roms" genannt.

Dann kam der linke Stadtpräsident Ignazio Marino und ordnete im Jahr 2015 die Schließung Malagrottas an. Das ist im Prinzip sehr löblich gewesen – nur hatte Marino vergessen, rechtzeitig eine alternative Entsorgung auf die Beine zu stellen. Müllverbrennungsanlagen gibt es in Rom nämlich bis heute keine einzige.

Wiederverwertung als Ziel

Marino wurde inzwischen aus dem Amt gejagt; seit dem Sommer regiert die junge Bürgermeisterin Virginia Raggi von Beppe Grillos Protestbewegung M5S. Die naheliegendste Lösung zur Bewältigung der Müllkrise wäre der Bau von mindestens einer Verbrennungsanlage – doch diese Öfen gelten für die "Grillini" (und auch für die meisten anderen Italiener) als Teufelswerk. "Unser Ziel ist die hundertprozentige Wiederverwertung des anfallenden Mülls", erklärte Raggi. Und weil dies nicht von heute auf morgen möglich ist, muss zumindest ein Teil des Abfalls exportiert werden.

Für die Betreiber der EVN Zwentendorf ist die Einäscherung des römischen Haushaltsmülls ein glänzendes Geschäft: Laut italienischen Medien zahlt Rom pro exportierte Tonne Abfall 139,81 Euro. Bei einem Güterzug mit 750 Tonnen ergibt dies für jeden Konvoi gut 100.000 Euro.

Strom, durchaus öko

Die EVN verwandelt den Müll durch Verbrennung in Wärme und Energie. Die Fernwärme wandert als Dampf zur Agrana-Bioethanolanlage im nahen Pischlsdorf an der Donau und versorgt außerdem Sankt Pöltner Haushalte mit Strom, erläutert EVN-Sprecher Stefan Zach dem STANDARD.

Dieser Haushaltsmüll hat einen nicht näher definierten Anteil an biogener Masse – weshalb er als Ökostrom ausgezeichnet werden kann. Allerdings kann die EVN dafür keinen höheren Einspeisetarif lukrieren, da der Biomasseanteil nur einen Bruchteil des Abfalls ausmacht. Auch die höheren Einspeisetarife, die im Rahmen des Ökostromgesetzes den Haushalten verrechnet werden dürfen, kommen nicht zur Anwendung. "Das wäre nicht korrekt", sagt Zach. Laut der Umweltsprecherin der Grünen, Christiane Brunner, darf nur der Strom aus hundertprozentigem biogenem Müll – also aus Salatblättern, Apfelbutzen oder verschimmelten Karotten – als teurerer Ökostrom verrechnet werden.

Insgesamt soll sich der römische Auftrag an die EVN über vier Jahre erstrecken. Danach soll der Müll Roms nach Deutschland gebracht werden – sollte es bis dahin nicht doch eine Müllverbrennungsanlage in Rom geben. (Dominik Straub aus Rom Johanna Ruzicka, 13.12.2016)