Zwei Sachthemen haben es in der vergangenen Woche inmitten all der Bundespräsidentennachwahlwehen in die Schlagzeilen geschafft: die Pisa-Studie und die Lehrlingsausbildung. Das kann Zufall sein oder auch nicht – jedenfalls sind beide Themen untrennbar miteinander verbunden. Wenn die Zahl der "Risikoschüler" wieder ansteigt und fast jeder dritte 15- bis 16-Jährige einen groben Mangel in Lesen, Rechnen oder den Naturwissenschaften aufweist, dann kann es auch niemanden verwundern, dass sich diese jungen Leute eher schwertun werden, eine Lehrstelle zu finden.
Immerhin 13.000 junge Menschen – das sind fast so viele, wie Eisenstadt Einwohner hat – absolvieren ihre Ausbildung in einer der überbetrieblichen, vom AMS stark geförderten Lehrwerkstätten. Ob sie damit dann auch einen Job finden und behalten, ist die Frage.
Da mag Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl im ORF-Morgenjournal beschwichtigen: Man sei "Europameister in der beruflichen Ausbildung", und zudem gebe es bis zu 4.000 offene Lehrstellen. Das ist ein Problem, das muss auch Leitl zugeben.
Ressourcen fehlen
Einerseits können die Schulen die Defizite nicht ausgleichen, die manche Kinder von zu Hause mitbringen. Es fehlt an Ressourcen, aber auch an der Bereitschaft und der Anstrengung, die vorhandenen Mittel zielgerichtet einzusetzen. Dadurch entstehen "Brennpunkt-" oder Ghettoschulen, wo es erst recht zur Titanenaufgabe wird, dass am Ende zumindest alle lesen und schreiben können und die Grundrechenarten beherrschen.
Erst recht kompliziert wird es dann mit der Suche nach der weiterführenden Ausbildung: In der Theorie gibt es viele Möglichkeiten. Wenn aber die Jugendlichen praktisch niemand individuell coacht, wird, wie seit Generationen, alles beim Alten bleiben: Die immergleichen Lehrberufe werden gewählt, das Naheliegende wird gelernt, der Schritt hinaus aus dem Elternhaus in ein anderes Bundesland, einer Lehrstelle wegen, wird kaum gewagt werden. Gleichzeitig sind Lehrplätze oft auch wenig attraktiv – beginnend bei mäßig motivierten Lehrherren bis hin zur Tatsache, dass viele Jugendliche den Ausbildungsplatz gleich wieder verlieren, wenn die AMS-Förderung ausläuft.
Investieren nötig
Hier müssen Geld und Hirnschmalz investiert werden. Weder hilft das Krankreden des Schul- noch das Gesundbeten des dualen Ausbildungssystems. Zwei Zahnräder, die den Zukunftsmotor antreiben sollen, greifen nicht optimal ineinander, man sollte sich ohne Schuldzuweisungen zusammensetzen und nachdenken.
SPÖ und ÖVP überlegen stattdessen, mit welchen Themen (Ausländer? Flüchtlinge?) die nächsten Wahlen zu gewinnen wären. Von einer Bildungsreform, die diesen Namen verdient, spricht bis dato niemand. Dabei ist das jenes Thema, das den Österreichern unter den Nägeln brennt. Jeder Mensch will, dass seine Kinder Zukunftschancen haben, womöglich noch bessere als man selbst. Das Gegenteil ist oft der Fall, wenn es an Geld und sozialer Voraussetzung fehlt.
Hier läge es an der Politik, radikal zu denken, auch an den bekannten Lobbygruppen (Lehrergewerkschaft!) vorbei, hier gälte es, etwas Vernünftiges, Funktionierendes, Neues zu schaffen. Wer das begreift, kann Wahlen gewinnen. Das hat einmal sogar ein gewisser Alfred Gusenbauer gezeigt. Dass es am Ende leere Versprechungen waren, daran laboriert das Land noch heute. (Petra Stuiber, 9.12.2016)