Geht nicht gut aus: Japanische Kultur trifft auf amerikanische.

Foto: Scala

Mailand – Wie Blumen im Wind bewegen die Frauen ihre Köpfe, trippeln herum und zeigen Emotionen über Bewegungen der Handflächen: Für Puccinis Madama Butterfly hat Regisseur Alvis Hermanis auf die Rituale des japanischen Kabukitheaters zurückgegriffen. Tatsächlich kommen seine Rekonstruktionen Puccinis Komposition nahe, in der immer wieder Blumen, das Zwitschern der Vögel und japanische Rituale zu vernehmen sind.

Oft freilich streift – vor allem wenn auf die verschiebbaren japanischen Sperrholzwände Blumenbilder und Ansichten einer japanischen Meeresbucht wie bei einem traditionellen Musikvideo projiziert werden – die Szenerie Japan-Klischees, an denen Puccinis Operndauerbrenner allerdings nicht ganz unschuldig ist.

Aber ist Madama Butterfly in ihrem Experimentieren mit neuen Klangfarben nicht doch auch ein Stück der Moderne? In Mailand fiel 1904 die Uraufführung krachend durch. Und so ist es auch eine Art Wiedergutmachung, wenn nun die selten gespielte Urfassung gewählt wurde. Dramaturgisch ist sie nämlich radikal: Statt der späteren "Verbesserung" zu drei gleichmäßig langen Akten waren es zunächst zwei ungleiche Teile. Zunächst die Verheiratung der 15-jährigen Geisha und dann in einer Länge, die das vergebliche Warten auf ihren Ehemann den Zuschauer qualvoll mitfühlen lässt, im zweiten Akt Butterflys Ende.

Präsent bei Hochzeit

Und: Zuletzt ein schockierendes Harakiri-Ritual der Primadonna vor ihrem kleinen Sohn und den Zuschauern. Obwohl um tausend Takte länger als spätere Fassungen, ist vor allem die Figur des amerikanischen Leutnants Pinkerton in dieser Urfassung reduziert. Er ist fast nur zu Beginn, bei der Hochzeit, präsent, auch werden ihm keine sentimentalen Gefühle gegönnt. Seine große Schlussarie Addio fiorito asyl fehlt. Und um die Betreuung seines Sohnes zu regeln, schickt er seine amerikanische Ehefrau Kate zu seiner Geisha vor. Bryan Hymel (als Pinkerton) und auch Carlos Alvarez (als amerikanischer Konsul) wissen ihre ein wenig reduzierten Rollen einnehmend und kraftvoll darzustellen.

Ganz im Zentrum aber Maria José Siri, die mühelos, klar und kühl die vielen Facetten der Cio-Cio-San vorzuführen weiß. Und dies oft im Dialog mit dem Orchester unter Riccardo Chailly, das gerade bei ihr immer wieder in sentimentalen Farben einerseits, andererseits in modern überraschenden Klängen zu überzeugen weiß. Die Ritualisierung zu einer Kabuki-Figur mag freilich die Strahlkraft ihrer Rolle ein wenig verblassen lassen. Aufhorchen ließ allerdings Annalisa Stroppa, die ihr auch mit vielen pantomischen Gesten als Freundin Suzuki assistierte.

Der Glanz, den man von der feierlichen Spielzeiteröffnung der Mailänder Scala, einem einzigartigen kulturellen Festtag in Italien, erwartet, blieb indes aus. Auch im Publikum. Italienische Politiker ließen lediglich Grußbotschaften übermitteln. Sie waren wohl an diesem Tag mit dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Matteo Renzi gut beschäftigt. (Bernhard Doppler, 9.12.2016)