Aus Sicht von Ländern und Gemeinden können nach der geplanten Reform des Betriebsanlagenrechts Produktionsstätten oder Einkaufszentren in Wohngebieten oder auf Freiland errichtet werden.

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Wien – Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat sich mit der Überarbeitung der Gewerbeordnung mehr Ärger eingehandelt als gedacht. Nach der Warnung vor einer Aushebelung der Kollektivverträge durch Arbeiterkammer und Sozialministerium laufen Länder und Gemeinden gegen die Vereinfachung des Betriebsanlagenrechts Sturm. Die Konzentration von Bau-, Naturschutz- und Gewerberecht in einem Verfahren würde Flächenwidmungen oder Bebauungspläne aushebeln, meinen Länder und Gemeinden.

Tirol hält etwa fest, dass Betriebsanlagen auf Freiland oder gar in Wohngebieten bewilligt werden müssten, wenn das Raumordnungsrecht außer Acht gelassen werde. Mit der Errichtung von Einkaufszentren ohne die Berücksichtigung der Flächenwidmungspläne würden überdies die Bemühungen zur Belebung der Ortskerne konterkariert, schreibt der Gemeindebund in seiner Stellungnahme. Hinzu kommt, dass den Gemeinden im Entwurf keine Parteienstellung eingeräumt werde, sie somit nicht einmal Beschwerde gegen Bewilligungen einlegen könnten. "Man kann nicht einfach über die Gemeinden drüberfahren", sagt ihr oberster Vertreter Helmut Mödlhammer im Gespräch mit dem Standard.

Pochen auf Mitarbeiterbeteiligung

Zudem wird auf Mitbeteiligung von Gemeinden und Umweltanwälten beim Naturschutz gepocht, der künftig ebenfalls im Anlagenverfahren behandelt werden soll. Dabei wehrt man sich gar nicht gegen eine Konzentration der Verfahren, allerdings sollten "schwerwiegende Nachteile und Regelungsdefizite" unbedingt vermieden werden, wie das Land Wien insistiert. Zu denen zählt auch der Umstand, dass Naturschutz und Bauordnungen in den Ländern unterschiedlich geregelt sind. Zudem werden Probleme bei Weisungen gesehen, weil das Gewerberecht in der mittelbaren Bundesverwaltung dem Landeshauptmann unterstellt ist, die Landesrechtsmaterien Naturschutz und Bauordnung hingegen der Landesregierung unterstehen.

Außerdem wird auf die Mängel im Entwurf hingewiesen, wonach nur bautechnische Fragen im Zusammenhang mit Betriebsanlagen von der Gewerbebehörde zu entscheiden seien. So wären beispielsweise die Höhe einer Produktionsstätte und die Abstandsvorschriften von der Gemeinde, Schall-, Brandschutz- und Sicherheitsaspekte von der Bezirksverwaltungsbehörde zu klären. Die bezweckte Verfahrenskonzentration würde damit "ins Leere laufen", wie der im Bundeskanzleramt angesiedelte Verfassungsdienst dazu meint.

Der Wirtschaftsminister kann die geballte Kritik nicht nachvollziehen. Die gewählte Vorgangsweise bei der Verfahrenskonzentration – neudeutsch One-stop-Shop genannt – habe man schon im Rahmen des Abfallwirtschaftsgesetzes gewählt. Und da habe es seit der vor 14 Jahren erfolgten Änderung "bisher keine Probleme" gegeben, wie es aus dem Ressort heißt. Allerdings wird dieses Argument von den Ländern nicht akzeptiert.

Abfall als Vorbild

Für Abfallentsorgungsstätten wie Müllverbrennungsanlagen sei eine Standortplanung durch den Bund wegen des großen Einzugsbereichs und der umfassenden Voraussetzungen für die Errichtung erforderlich, weshalb die Aushebelung der Raumordnung gerade noch vertretbar sei, argumentiert beispielsweise Tirol. Bei gewerblichen Betriebsanlagen, die der freien Disposition des Unternehmens unterliegen, seien diese Bedingungen nicht gegeben.

Das Wirtschaftsministerium meint überdies, dass in Flächenwidmungspläne, Bautechnikgesetz, Bauordnung oder Bebauungsbestimmungen mit dem reformierten Betriebsanlagenrecht nicht eingegriffen werde. Länder und Gemeinden sehen auch diesen Punkt anders. (Andreas Schnauder, 10.12.2016)