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Ist Grönlands Eisschild womöglich doch ein Auslaufmodell?

James Balog/AP

New York / Wien – Grönland ist die größte Insel der Welt und trägt mit bis zu 3400 Metern Dicke den zweitmächtigsten Eispanzer nach der Antarktis. Zwar verlor Grönland zuletzt jährlich rund 270 Milliarden Tonnen Eis. Diese dramatisch klingenden Massen sind aber noch nicht allzu schlimm: Sie tragen zu einer Erhöhung des Meeresspiegels von bloß 0,5 Millimetern pro Jahr bei.

Ein vollständiges Abschmelzen dieser Eismassen würde den Meeresspiegel freilich um bis zu sieben Meter anheben. Dieses Szenario gilt freilich als sehr unwahrscheinlich. Doch Forscher um Jörg Schäfer (Columbia University in New York) warten nun mit einem alarmierenden Befund auf: In den vergangenen 1,4 Millionen Jahren könnten weite Teile Grönlands für mindestens 280.000 Jahre eisfrei gewesen sein.

Radioaktive Bodenspuren

Schäfer und seine Kollegen hatten für ihre Studie im Fachblatt "Nature" in der Mitte Grönlands den Eispanzer durchbohrt und fanden am Grund des Eises Beryllium-10 und Aluminium-26. Diese radioaktiven Substanzen entstehen, wenn kosmische Strahlung aufs Gestein des Erdbodens trifft. Die Forscher fanden weit mehr Beryllium-10 und Aluminium-26 als erwartet und folgern daher, dass dieser Teil Grönlands erstens lange eisfrei war. Zweitens deute das darauf hin, dass Grönlands Eispanzer labiler sei als gedacht.

Die Ergebnisse von Schäfer stehen freilich in einem Widerspruch zu einer zweiten Studie, die ebenfalls in "Nature" erschien: Paul Bierman (University of Vermont) machten in Ostgrönland eine ähnliche Bohrung und fanden dabei nur wenig Beryllium-10 und Aluminium-26. Dieser Teil der Insel dürfte seit rund 7,5 Millionen Jahren durchgängig von Eis bedeckt sein.

Eine fast zehn Jahre alte Studie von Eske Willerslev (Uni Kopenhagen) spricht eher für die Daten Schäfers: Der dänische Paläogenetiker hatte damals unter einer zwei Kilometer dicken Eisschicht Reste von Wäldern und Wiesen entdeckt, die seit mindestens 500.000 Jahren von Eis bedeckt sind. (tasch, 9.12.2016)