Bild nicht mehr verfügbar.

Sauberes oder unsauberes Blut, das ist die Frage.

Foto: REUTERS/Sergei Karpukhin

Bild nicht mehr verfügbar.

McLaren hat "materielle Beweise".

Foto: REUTERS/Neil Hall

London/Wien – Der am Freitag in London veröffentlichte zweite Teil des McLaren-Reports stellt fest, dass es in Russland jahrelang eine "institutionalisierte Strategie zur Medaillenbeschaffung in Sommer- und Wintersportarten" gegeben habe. Dabei seien mehr als 1000 russische Athleten aus 30 Sportarten involviert gewesen. Gesteuert worden sei das System vom Sportministerium.

Organisierte Infrastruktur

"Jahrelang wurde von Russland bei internationalen Sportereignissen betrogen. Es ist unmöglich zu wissen, wie tief die Verschwörung reicht und seit wann es sie gab", sagte Richard McLaren, der Chefermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Der kanadische Uniprofessor und Anwalt konstatierte eine "institutionelle Verschwörung in Sommer- und Wintersportarten. Die Athleten haben nicht individuell agiert, sondern innerhalb einer organisierten Infrastruktur." Betroffen gewesen seien dabei unter anderem die Olympischen Sommerspiele in London 2012, die Leichtathletik-WM 2013 in Moskau sowie die Winterspiele in Sotschi 2014. Das System habe von "mindestens 2011 bis August 2015" existiert.

Zur Untermauerung seiner Ergebnisse veröffentlichte McLaren 1166 Dokumente, die er während der Untersuchung sicherstellen konnte, darunter Fotos, forensische Berichte und Mails. "Der Bericht basiert nicht auf mündlichen Aussagen, sondern auf materiellen Beweisen, dies sind unzweifelhafte Fakten." McLaren räumte aber ein, dass das Ausmaß des Betrugs noch wesentlich größer sein könnte: "Wir hatten nur Zugang zu einem kleinen Teil der Daten."

Die Untersuchung war im Mai durch Enthüllungen des ehemaligen Leiters des Moskauer Anti-Doping-Labors, Grigori Rodtschenkow, ins Rollen gekommen. Der erste Teil des Reports hatte die Aussagen im Juli bereits bestätigt. Folgen waren die Suspendierung der russischen Leichtathletik und der Ausschluss des gesamten russischen Teams von den Paralympics in Rio de Janeiro.

IOC unter Druck

Die neuen Erkenntnisse setzen das Internationale Olympische Komitee (IOC) weiter unter Druck. Vor den Sommerspielen in Rio hatte sich das IOC gegen einen Komplettausschluss Russlands entschieden, in etwas mehr als einem Jahr stehen die Winterspiele in Pyeongchang, Südkorea, an. "Ich kann nicht entscheiden, ob sie teilnehmen können. Ob man ihnen trauen kann? Ich denke ja, aber sie brauchen Reformen", sagte McLaren.

Während vor allem deutsche Sportverantwortliche eine klare Stellungnahme von IOC-Präsident Thomas Bach und drastische Konsequenzen bis hin zum unbefristeten Ausschluss Russlands von allen Großereignissen fordern, hält man bei der österreichischen Anti-Doping-Agentur (Nada) ein gewisses Augenmaß für wichtig. "Alle Personen, die gemäß dem McLaren-Bericht nachweislich in Verstöße gegen die Anti-Doping-Bestimmungen verwickelt sind, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Unrechtmäßig erworbene Medaillen und Preisgelder müssen neu vergeben werden", sagte Geschäftsführer Michael Cepic. Freilich fordere die Vertuschung von Doping durch staatliche Stellen härtere Sanktionen, etwa auch das Aussetzen von internationalen Wettbewerben in Russland, "bis die Qualität der russischen Anti-Doping-Arbeit wieder den internationalen Vorgaben entspricht".

Zweifel in Russland

In Russland werden McLarens Angaben natürlich bestritten. "Ich bezweifle, dass uns konkrete Beweise für eine Schuld gezeigt werden können, wenn wir darum bitten", sagte Jelena Isinbajewa. Die Ex-Stabhochspringerin war am Mittwoch zur Aufsichtsratsvorsitzenden der russischen Anti-Doping-Agentur (Rusada) bestellt worden. Der Parlamentsabgeordnete Michail Degtjarjow reagierte ähnlich. "Bis jetzt hat McLaren über Doping in Russland nichts Neues gesagt." (sid, red, 8.12.2016)

Kommentar von Sigi Lützow:

Zu groß für Sanktionen