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Die Industrieproduktion in Italien ist zuletzt um 2,5 Prozent gestiegen.

Foto: Reuters / Stefano Rellandini

Italiens Wirtschaft ist besser aufgestellt als vor der Amtszeit von Matteo Renzi. Das erklärt Universitätsprofessor und Berater von vier italienischen Regierungen Marco Fortis im Gespräch mit dem STANDARD. Die rund 1.000 Tage amtierende Regierung habe wichtige strukturelle Maßnahmen ergriffen. Dies habe dazu beitragen, die gegenwärtige Politkrise zumindest einige Monate ohne größeren Schock zu überstehen. Aber Fortis meinte im Klartext: Je früher die Krise beendet wird, desto besser für Italien.

Der an der Cattolica-Universität in Mailand Industriepolitik lehrende Wirtschaftswissenschafter zeigt sich über die unerwartete Ruhe auf den Finanzmärkten nach dem Ausgang des Referendums und der Regierungskrise selbst nicht erstaunt. Die Finanzmärkte hätten dies bereits mit massiven Kursverlusten in den Tagen vor dem Referendum vorweggenommen. Doch es handle sich um ein "Day by day"-Spiel, das auch jederzeit kippen könne.

Kreditausfälle in Milliardenhöhe

Die Bankenkrise in Italien mit brutto 200 Milliarden Euro an ausfallgefährdeten Krediten sei zweifellos ein Problem. Aber gefährdet sei derzeit einzig Monte dei Paschi di Siena, wobei er eine Staatshilfe für das Traditionshaus aus Siena weder ausschließt noch ablehnt. "In jedem anderen normalen Land hätte der Staat schon längst eingegriffen", meinte der Nationalökonom.

Bei Unicredit sei er überzeugt, dass die Bank-Austria-Mutter sich aus eigener Kraft sanieren werde. Für andere Banken, etwa die Kleinbanken aus Mittelitalien oder die Volksbanken aus Venetien, seien bereits Lösungen gefunden worden. "Diese Banken sind einzig wegen eines Missmanagements ins trübe Fahrwasser geraten."

Wachstum trotz Sparpolitik

Professor Fortis, ein Gegner der Austeritätspolitik, meinte, dass Finanzminister Pier Carlo Padoan einen ausgewogenen Kurs zwischen Spar- und Wachstumspolitik eingeschlagen habe. Auch wenn Italien zu den Wachstumsnachzüglern in Europa zähle, habe die Regierung Renzi während ihrer Amtszeit eine klare Trendwende geschafft.

Durch die Reformen hat sich die Situation am Jobmarkt seit Regierungsantritt im Februar 2014 mit 656.000 neu geschaffenen Arbeitsplätzen verbessert, die Arbeitslosenquote ist von 12,8 auf 11,7 Prozent gesunken, und das BIP ist nach mehrjähriger Rezession beziehungsweise Stagnation um 1,7 Prozent und der private Konsum um 3,3 Prozent gewachsen.

Wachstum im Hightech-Bereich

Regierungsmaßnahmen wie etwa der Zuschuss von 80 Euro monatlich für Mindesteinkommen und die Abschaffung der Immobiliensteuer IMU wirken sich laut Fortis positiv auf den Konsum aus. Die Investitionen wurden stimuliert und wuchsen um zwei Prozent, die Industrieproduktion um 2,5 Prozent. Dabei verzeichnete der Hightech-Bereich – von der Pharma- bis zur Werkzeugmaschinenindustrie – ein zweistelliges Wachstum.

Auch wenn Italien zu den am höchsten verschuldeten Ländern in der EU zählt, werden die Gesamtschulden heuer erstmals sinken. Gemäß noch nicht veröffentlichten Eurostat-Daten soll die Verschuldung zum Jahresende 132,8 Prozent des BIPs betragen, einen Prozentpunkt weniger als ein Jahr zuvor. Und last, but not least weist Italien eine der höchsten Überschüsse Europas in der Primärbilanz auf. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, 9.12.2016)