War das freundliche Radio-"Duell" zwischen den Parteichefs Christian Kern (SPÖ) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) Basis für mehr? "Kategorisch sollte man nichts ausschließen", sagen rote Landeschefs.

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Wien – Die Aussage klang nach einem Machtwort. "Ich halte Rot-Blau auf Bundesebene nach der nächsten Nationalratswahl für ausgeschlossen", sagte Wiens Bürgermeister Michael Häupl auf Anfrage des STANDARD und verriet auch einen Grund dafür: "Ich finde keine inhaltlichen Überschneidungen mit dieser Partei."

Häupl ist in der SPÖ nicht irgendwer, sondern Chef der stärksten Landesorganisation. Sind die sozialdemokratischen Annäherungsversuche an die FPÖ somit abgeblasen, ehe sie überhaupt ernsthaft begonnen haben? Mitnichten, denn ein Rundruf unter den roten Länderchefs zeigt: Häupls dezidierte Absage findet kaum Unterstützung.

Widerspruch kommt, nicht unerwartet, aus dem Osten. Landeshauptmann Hans Niessl, der das Burgenland gemeinsam mit der FPÖ regiert, sieht die Sache anders als sein Wiener Amtskollege, und zwar deutlich anders. Für Koalitionsan- oder -absagen sei es zu früh, man solle erst die Wahlen abwarten, sagt er: "Von Haus aus jemanden auszuschließen ist jedenfalls taktisch nicht klug." Solcherart liefere man sich ja dem einen verbliebenen Partner aus – und der ist die ungeliebte ÖVP.

Schickhofer: "Man sollte gar nichts ausschließen"

Auch dem dritten Landeshauptmann im roten Bunde kommt kein apodiktisches Nein zur rot-blauen Koalition über die Lippen. Er habe als Kärntner zwar "einschlägige Erfahrungen" mit einer blau besetzten Regierung gemacht und sehe zur FPÖ "noch ganz gravierende Unterschiede", sagt Peter Kaiser, doch anschließen will er sich Häupl nicht: "In Wien ist die Zuspitzung sicher schärfer."

Allerdings werde es noch "sehr viel Überzeugung brauchen", damit die Freiheitlichen "beweisen", dass sie aus dem Kärntner Debakel gelernt hätten, fügt der Landeschef an. Als Richtschnur bei der Bewertung solle ebenjener Kriterienkatalog dienen, an dem die Genossen derzeit auf Kaisers Initiative hin arbeiten: "Es geht um die Frage, welche Positionen für die SPÖ unveräußerlich sind."

Der steirische SP-Chef Michael Schickhofer ist noch eine Spur deutlicher. Definitive Aussagen zu Koalitionen solle es erst nach entsprechenden Verhandlungen geben, fordert er: "Zuerst müssen wir miteinander reden. Und da bin ich dafür, Gespräche mit allen zu führen. Kategorisch sollte man da gar nichts ausschließen."

Womöglich gebe es mit der FPÖ "in dem einen oder anderen Sachbereich" Annäherungen, vermutet Schickhofer: "Beim Bürokratieabbau habe ich dieses Gefühl, da gebärdet sich die ÖVP eher wie eine Schutzherrin, da ginge mit der FPÖ wahrscheinlich mehr. Auch in der Sozialpolitik könnte es eher Gemeinsamkeiten geben."

Stadler: "Ausgrenzung hinfällig"

"Unsere Linie ist es, mit allen Parteien und politischen Gruppierungen Gespräche zu führen", sagt auch Matthias Stadler, Bürgermeister von St. Pölten und SP-Obmann in Niederösterreich: "Dadurch ist die vielstrapazierte 'Ausgrenzung' hinfällig." Mit wem die SPÖ im konkreten Fall koaliere, solle anhand des Kriterienkatalogs entschieden werde, unverrückbare Standpunkte dürften dabei nicht "verkauft" werden.

Ähnlich fällt die Reaktion ob der Enns aus. "Das ist nicht die Meinung aller in der SPÖ", sagt die oberösterreichische Parteichefin Birgit Gersthofer zu Häupls Aussage. "Also ich bin zum jetzigen Zeitpunkt hinsichtlich einer Koalition mit der FPÖ gegen ein kategorisches Nein."

Auch Gersthofer setzt Hoffnung in den Kriterienkatalog: "Haben wir unsere Rahmenbedingungen festgelegt, können wir weiterschauen." Letztlich müsse sich die FPÖ bewegen: "Aus heutiger Sicht gibt es wenige Überschneidungen. Im Bereich der Migrations-, Frauen- oder Sozialpolitik können wir als SPÖ so nicht mit."

Ein Stück weiter westlich will man abwarten: Salzburgs SP-Chef Walter Steidl verweist auf den Kriterienkatalog. Das explizite Nein Häupls zu einer Zusammenarbeit mit den Blauen teilen die Salzburger freilich schon lange nicht mehr. In der Vergangenheit waren immer wieder Stimmen zu hören, die Sympathie für Rot-Blau erkennen ließen – nicht zuletzt mit Blick auf ein mögliches Comeback in der Landesregierung.

Blanik: "Koalition undenkbar"

Nur ganz im Westen trifft Häupls Absage auf Gleichgesinnte. "Für mich als Person und Landesparteivorsitzende wäre eine Koalition mit der FPÖ undenkbar", sagt die Tiroler Statthalterin Elisabeth Blanik. "Unsere Grundsätze und Einstellungen stehen denen der FPÖ, so wie sie sich derzeit präsentiert, diametral entgegen." Nachsatz: "Aber natürlich wäre ich an Beschlüsse des Landesparteivorstandes gebunden, sollte es in der Tiroler SPÖ zu einer Entscheidung kommen."

Gabriele Sprickler-Falschlunger, SP-Chefin in Vorarlberg, sagt: "So wie sich die FPÖ in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, ist eine Koalition nicht möglich." Dabei gehe es nicht nur um den rechtspopulistischen Kurs: "Auch bei den Themen Arbeitnehmerrechte sowie Frauen- und Bildungspolitik trennen uns Welten." Den geplanten Kriterienkatalog brauche es dennoch – für alle möglichen koalitionären Konstellationen.

Geteilt sind die Meinungen aber auch, was genau in diesem "Handbuch" stehen soll. Der Burgenländer Niessl würde gerne höhere Vermögenssteuern als Bedingung hineinschreiben, andere sind skeptisch. Die Tirolerin Blanik warnt vor einem solchen Ausschlusskriterium, weil sonst die SPÖ allein bleiben könnte. Der Steirer Schickhofer sagt: "Wenn wir uns vorher schon eingraben, wird es bei Koalitionsverhandlungen nur noch schwieriger." (ars, jo, jub, mue, mro, neu, wei, 8.12.2016)