136 Bürgermeister haben vor der Wahl am 4. Dezember öffentlich eine Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen abgegeben. Haben diese Wahlempfehlungen etwas bewirkt? Immerhin wird der Lokalpolitik im Allgemeinen mehr Vertrauen entgegengebracht als der Landes- und Bundespolitik – von der EU-Ebene ganz zu schweigen.

Wenn die Wahlempfehlungen der 136 Ortschefs etwas bewirkt haben, sollte der Zugewinn Alexander Van der Bellens zwischen Mai und Dezember in diesen Gemeinden größer gewesen sein als anderswo. Die erste Grafik zeigt allerdings, dass dem nicht so ist. In den 136 Unterstützer-Gemeinden legte Van der Bellen im Schnitt 3,4 Prozent zu (3,6 Prozent ohne Wien), in den anderen Gemeinden rund 4,1 Prozent. Innerhalb beider Gruppen gibt es auch eine relativ große Streuung um diese Mittelwerte. Ein statistisch signifikanter Unterschied besteht nicht.

Anmerkung zur Grafik: Die waagrechten Linien bilden den Wert einer Standardabweichung vom Mittelwert nach rechts und links ab. Sie geben damit an, wie sehr die Werte in den beiden Gemeindegruppen um den Mittelwert streuen.

Vorsicht ist natürlich geboten, weil die Gemeindeergebnisse ohne Briefwahlstimmen ausgewiesen werden und sich die Anzahl der Wahlkarten zwischen Mai und Dezember etwas verringert hat (und das auch nicht gleichmäßig über das gesamte Bundesgebiet). Deswegen ist auf Gemeindeebene kein absolut perfekter Vergleich zwischen den beiden Stichwahlen möglich.

Dennoch: Die Daten legen nahe, dass die Wahlempfehlungen der 136 Bürgermeister keinen in ihren Gemeinden messbaren Effekt hatten.

Bürgermeister agierten strategisch

Das mag unter anderem daher kommen, dass die 136 Unterstützer aus ganz bestimmten Gemeinden kommen. Die zweite Grafik zeigt, dass Wahlempfehlungen viel häufiger dort ausgesprochen werden, wo der Stimmenanteil Van der Bellens in der ersten Stichwahl hoch war. In Gemeinden, wo Van der Bellen im Mai unter 50 Prozent lag, sprachen nur wenige Prozent aller Ortschefs eine Empfehlung aus. Dort, wo sein Anteil über 60 Prozent betrug, unterstützten ihn 17,5 Prozent aller Bürgermeister.

Die Bürgermeister agierten bei ihrer Entscheidung für eine öffentliche Wahlempfehlung also strategisch. Wer spricht sich schon gegen die Mehrheit in der eigenen Gemeinde aus, wenn man demnächst wiedergewählt werden möchte?

Eine starke Korrelation gibt es auch mit der Gemeindegröße. Wenige Bürgermeister aus Kleingemeinden empfahlen Van der Bellen zur Wahl, in größeren Gemeinden steigt der Anteil deutlich an.

Die 136 Unterstützer kamen zudem vorrangig aus der SPÖ. 88 roten Wahlempfehlungen stehen nur 48 schwarze gegenüber – und das, obwohl die ÖVP rund zwei Drittel aller Bürgermeister stellt. Für Oberösterreich sind beispielhaft die Anteile nach Parteizugehörigkeit dargestellt (österreichweite Daten zur Parteizugehörigkeit von Bürgermeistern sind schwierig zu bekommen). Dort sprachen sich 38 Prozent aller SPÖ-Bürgermeister für Van der Bellen aus, aber nur vier Prozent aller schwarzen Ortschefs. FPÖ-Empfehlungen gab es logischerweise keine und auch keine von Bürgerlisten (in Vorarlberg und Tirol ist das allerdings anders, dort kommen viele Unterstützer von unabhängigen Listen).

Wählerstimmen bringen Wahlempfehlungen, nicht umgekehrt

Fazit: Wahlempfehlungen bringen wohl kaum Stimmen – vielmehr bringen Wählerstimmen Wahlempfehlungen. Natürlich könnte es auch sein, dass der Effekt der Wahlempfehlungen sich nicht lokal niederschlägt, sondern durch mediale Berichterstattung weitere Kreise zieht und damit schwerer messbar wird. Dennoch gilt: Die 136 Wahlempfehlungen kamen aus Gemeinden, die für Alexander Van der Bellen ohnehin freundliches Terrain boten. Wenige Bürgermeister gingen damit ein Risiko für ihre eigene Wiederwahl ein – und somit waren die Empfehlungen am Ende wohl auch relativ wirkungslos. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 8.12.2016)