In all dem Stress der Politik in und um Europa ist das Thema Brexit fast ein bisschen in Vergessenheit geraten. Das ist nicht ungefährlich. Der Austritt eines politisch, wirtschaftlich und militärisch derart wichtigen Landes wie Großbritannien ist die größte Herausforderung für die EU seit 1989, seit Euroeinführung und Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa. Die Atommacht auf der Insel macht fast ein Fünftel der gesamten Wertschöpfung der EU-28 aus.

Beim Brexit darf nichts schiefgehen, nichts offenbleiben. Verliefe die Trennung ungeordnet, gar chaotisch, könnte dies das Königreich und die Union schwer beschädigen.

Die Verhandlungen wollen also technisch gut vorbereitet, politisch vernünftig aufbereitet sein. Leider ist das noch nicht so. Fünf Monate sind seit dem Referendum der Briten Ende Juni bereits vergangen. Aber Terroranschläge in EU-Staaten, der Putschversuch in der Türkei, die Eskalation in Syrien, anhaltende Migrationskrise, US-Wahlen und Donald Trump, der Lärm der Rechtspopulisten in Österreich oder Frankreich und Unsicherheit in Italien hielten die Union im Griff. Nationale Selbstbeschäftigung dominiert.

Insofern kam der erste Auftritt des EU-Chefverhandlers für den Brexit um keine Woche zu spät – so wie seine Warnung, dass allen Beteiligten langsam die Zeit davonläuft. "Keep calm and negociate", rief Michel Barnier den Briten zu. Der Regierung in Wien, die 2018 als EU-Vorsitzende im Brexit-Finale steht, sei gesagt: "Be serious and prepared!" (Thomas Mayer, 6.12.2016)