Mithilfe neuer Technologien wie der Genschere CRISPR/Cas9 will die Pflanzengenetikerin Jill Farrant Nutzpflanzen besser für den Klimawandel rüsten. Profitieren sollen vor allem Arme und Kleinbauern.

Foto: Heribert Corn

Wien – Sogenannte "Wiederauferstehungspflanzen" wie die berühmte Rose von Jericho tragen ihren biblisch anmutenden Namen nicht von ungefähr: Sie haben die Fähigkeit, den Verlust von bis zu 95 Prozent ihres Wasseranteils und damit extreme Dürreperioden zu überleben. Die südafrikanische Pflanzengenetikerin Jill Farrant beschäftigt sich seit langem mit dem Potenzial dieser Pflanzen. Am 30. November hielt sie bei einem Symposium zum 15-jährigen Bestehen des Gregor-Mendel-Instituts der Akademie der Wissenschaften in Wien einen Vortrag.

STANDARD: Frau Farrant, wenn die Erde ein Organismus wäre, wie würden Sie ihren Gesundheitszustand beurteilen?

Farrant: Ich glaube, die Natur ist in einem traurigen Zustand. Das gilt besonders für Pflanzen: Wir müssen aufhören, sie zu töten. Und wir müssen uns darum kümmern, dass sie gute Bedingungen für ihr Wachstum haben. Nicht nur, weil Pflanzen der Atmosphäre CO2 entziehen und so dem Klimawandel entgegenwirken, sondern auch weil sie uns Pharmazeutika und Nahrung liefern.

STANDARD: Im Jahr 2050 werden bis zu zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Kann man so viele Menschen überhaupt ernähren?

Farrant: Die Prognosen sind düster. Denn das stärkste Bevölkerungswachstum wird in Afrika stattfinden. Und gerade dort wird es auch die stärksten Auswirkungen des Klimawandels geben: Dürren und Hitzewellen werden sich weiter verstärken. Eine Lösung könnte sein, dass wir künftig in Regionen, die nicht so stark von Dürre betroffen sind, viel mehr Landwirtschaft betreiben, zum Beispiel in Kanada und Russland. Ich persönlich verfolge in meinen Forschungen einen anderen Ansatz: Ich versuche Nutzpflanzen herzustellen, die extrem dürreresistent sind – viel stärker als sie es heute sind. Um das zu erreichen, müssen wir uns Wiederauferstehungspflanzen wie die Rose von Jericho als Vorbild nehmen.

STANDARD: Was ist das Besondere an Wiederauferstehungspflanzen?

Farrant: Sie können komplett austrocknen und sterben trotzdem nicht ab.

STANDARD: Wie schaffen sie das, was ist ihr Trick?

Farrant: Sie sind in sehr ariden Regionen entstanden. Das müssen nicht unbedingt Wüsten sein – eher Regionen, in denen es sehr selten regnet. Auferstehungspflanzen wachsen auf steinigem Untergrund mit dünner Erdschicht und extremen Temperaturen. Um in dieser ökologischen Nische überleben zu können, aktivieren sie jene Gene, die Pflanzen normalerweise für die Bildung von Samen benötigen. Das Samengewebe ist extrem trockenheitsresistent, Samen können auch dann wieder eine neue Pflanze hervorbringen, wenn sie völlig ausgetrocknet sind.

STANDARD: Die Wiederauferstehungspflanzen haben keine neuen Eigenschaften entwickelt, sondern nur die Samengene mit neuen Aufgaben betraut?

Farrant: Das ist meine Hypothese – und ich glaube, ich konnte sie in meinen Forschungen recht überzeugend belegen. Jede Pflanze, die trockenheitstolerante Samen erzeugt, hat im Prinzip auch die Fähigkeit, Dürreperioden als Ganzes zu überleben. Dazu zählen all unsere Nutzpflanzen, etwa Mais oder Weizen. Sie besitzen die passenden Gene, aber sie schalten diese nicht ein, weil sie sich in einer Umwelt entwickelt haben, in der das normalerweise nicht notwendig ist. Die Anpassungen der Wiederauferstehungspflanzen sind vor 40 bis 60 Millionen Jahren entstanden. Evolutionär betrachtet, ist das relativ jung. Zum Vergleich: Samen gibt es seit ungefähr 160 Millionen Jahren.

STANDARD: Die Vision lautet: Weizen und Mais mit den Fähigkeiten der Rose von Jericho, die bei Trockenheit in eine Art Tiefschlaf gerät?

Farrant: Genau, Nutzpflanzen mit diesen Eigenschaften könnten in Gegenden wachsen, in denen es sehr selten regnet. Ganz ohne Wasser geht es natürlich nicht. Von diesen Nutzpflanzen würden vor allem Arme und Kleinbauern profitieren: In regnerischen Jahren hätten sie eine ganz normale Ernte – und in Jahren ohne Niederschlag würden ihre Pflanzen zumindest nicht sterben. Sie müssten keine neuen Samen kaufen, sondern müssten nur auf den nächsten Regen warten.

STANDARD: Wie weit sind Sie von diesem Ziel entfernt?

Farrant: Ich weiß relativ genau, was nun zu tun ist. Mit entsprechender Finanzierung könnten meine Mitarbeiter und ich innerhalb von fünf Jahren im Labor zeigen, dass unser Konzept funktioniert. Im Freiland wären danach freilich noch viele weitere Versuche notwendig.

STANDARD: Wie wollen Sie erreichen, dass Mais und Weizen ihre Samengene auf die richtige Weise einsetzen?

Farrant: Es geht zunächst nicht nur darum, die richtigen Gene einzuschalten, sondern auch darum, Gene zum richtigen Zeitpunkt auszuschalten. Wir verstehen, wie Wiederauferstehungspflanzen das tun – und wir glauben, dass man diese Fähigkeit auch auf andere Arten übertragen kann. Zugegeben, das ist eine neue und radikale Strategie, die zuvor noch niemand versucht hat. Wir brauchen dafür neue Technologien wie zum Beispiel die Genschere CRISPR/Cas9. Aber wir müssen dafür keine neuen Gene einfügen. Wie schon erwähnt: die notwendigen Gene sind alle schon da.

STANDARD: Das bedeutet, dass man das Netzwerk der Genregulation verändern müsste – versteht man dieses Netzwerk zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt so weit, wie es für so einen Eingriff notwendig wäre?

Farrant: Das ist ein berechtigter Hinweis, auf diesem Gebiet ist noch vieles ungeklärt, die Aufgabe ist keineswegs einfach. In unserer letzten Studie haben wir jedenfalls gezeigt, dass es im Netzwerk der Genregulation zwei Hauptschalter gibt, die ein guter Ansatzpunkt für unser Vorhaben sind.

STANDARD: Wann hatten Sie eigentlich diese Idee?

Farrant: Im Grunde vermutete ich schon vor meiner Dissertation im Jahr 1992, dass Auferstehungspflanzen die Gene für die Samenherstellung neu verwenden. Es hat lange gedauert, systematisch dafür Beweise zu finden. Aber wie es aussieht, lag ich richtig damit.

STANDARD: Waren Sie jemals in Kontakt mit Lebensmittel- oder Agrarkonzernen?

Farrant: Ich hatte niemals Kontakt – und zwar aus folgendem Grund: Ich möchte, dass unsere Erfindung den afrikanischen Kleinbauern zugutekommt. Und ich will nicht, dass jemand diese Technologie patentiert, um damit eine Menge Geld zu verdienen.

STANDARD: Sie haben kein Patent darauf?

Farrant: Nein.

STANDARD: Wäre es nicht besser, ein Patent einzureichen, um damit zu verhindern, dass jemand anderer es tut, der die Technologie nicht frei zur Verfügung stellen würde?

Farrant: Sie haben recht, so kann man es auch betrachten. Wir sind zwar noch nicht so weit, ein Patent einzureichen, wenn es so weit ist, werde ich mir das noch einmal überlegen. (Robert Czepel, 7.12.2016)