Freiburg – Die Festnahme eines 17-jährigen Flüchtlings im Fall einer in der süddeutschen Stadt Freiburg getöteten Studentin hat eine scharfe Kontroverse ausgelöst. Die deutsche Regierung verurteilte das Verbrechen und warnte gleichzeitig vor Pauschalurteilen gegenüber Flüchtlingen. Mit dem Mordfall dürfe "nicht die Ablehnung einer ganzen Gruppe verbunden sein", sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in der ARD, "so wie wir auch sonst nicht von einem auf eine ganze Gruppe schließen können".

Die ARD-"Tagesschau" als Deutschlands meistgesehene Nachrichtensendung hatte sich zuvor gegen Kritik gewehrt, anfangs auf eine Berichterstattung über den Kriminalfall verzichtet zu haben.

Der festgenommene 17-Jährige schweigt weiter zu den Vorwürfen. Er soll Mitte Oktober die 19 Jahre alte Medizinstudentin Maria L. vergewaltigt und ermordet haben. Die Ermittler prüfen das Umfeld des Afghanen, der 2015 als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland kam und bei einer Familie untergebracht war. Er sitzt seit Freitag in Untersuchungshaft.

Merkel: "Ereignis, über das man offen sprechen muss"

Der Staatsanwaltschaft zufolge gibt es keine Hinweise darauf, dass der junge Mann die Studentin kannte. Diese habe sich zwar in der Flüchtlingshilfe engagiert, ob sie jedoch dadurch Kontakt mit dem Verdächtigen hatte, sei nicht sicher. Die Studenteninitiative Weitblick, die sich auch für Flüchtlinge starkmacht und für die die Eltern der Getöteten in einer Traueranzeige um Spenden gebeten hatte, war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Zu dem Vorwurf, dass ihre Flüchtlingspolitik mitverantwortlich für die Tat sei, sagte Merkel in den ARD-"Tagesthemen": "Ich sage erst einmal, dass dieser Mord schrecklich ist und dass meine Gedanken bei den Eltern, bei den Angehörigen sind." Der Fall bleibe "ein tragisches Ereignis, das aufgeklärt werden muss und über das man ganz offen sprechen muss".

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte der "Bild"-Zeitung: "So bitter es ist: Solche abscheulichen Morde gab es schon, bevor der erste Flüchtling aus Afghanistan oder Syrien zu uns gekommen ist. Wir werden nach solchen Gewaltverbrechen – egal wer sie begeht – keine Volksverhetzung zulassen."

Polizeigewerkschaft: "Waren nicht auf Gefahren vorbereitet"

AfD-Bundeschef Jörg Meuthen meinte hingegen: "Wir sind erschüttert über diese Tat und erleben gleichzeitig, dass unsere Warnungen vor der ungesteuerten Einreise hunderttausender junger Männer aus patriarchalisch-islamischen Kulturkreisen als populistisch abgewertet wurden." Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der "Bild": "Dieses und viele andere Opfer würde es nicht geben, wäre unser Land auf die Gefahren vorbereitet gewesen, die mit massenhafter Zuwanderung immer verbunden sind."

Die in sozialen Medien heftig kritisierte Entscheidung der "Tagesschau", in der 20-Uhr-Ausgabe vom Samstag den Mordfall nicht zu melden, schlug weiter Wellen. Die Sendung berichte nur "sehr selten über einzelne Kriminalfälle", schrieb ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke in einem Blogeintrag. Die Herkunft des mutmaßlichen Täters habe mit dieser Entscheidung nichts zu tun. Bei einer Veranstaltung der Uni Hamburg sagte Gniffke am Montagabend, der Fall habe nicht in das Portfolio der Nachrichtensendung gepasst.

Die ARD-Nachrichten griffen den Fall am Montagabend dann doch auf. Er kam in dem Merkel-Interview zur Sprache, das "Tagesthemen"-Moderator Ingo Zamperoni mit der Kanzlerin geführt hatte. Auszüge wurden auch in der 20-Uhr-"Tagesschau" gezeigt. (APA, 5.12.2016)