Manuel Valls ist hartnäckig und ehrgeizig. Jahrelang hatte er darauf hingearbeitet, seine Kandidatur für den Élysée-Palast anzumelden. Bisher stand ihm Präsident François Hollande im Licht. Dessen Kapitulation vor den Meinungsumfragen hat Valls nun plötzlich eine Gelegenheit eröffnet – und der 54-jährige Sozialist, der lieber ein Sozialdemokrat ist, lässt sie nicht ungenutzt verstreichen. Nur vier Tage nach Hollandes Verzicht hat er am Montagabend in Évry, seiner Hochburg südlich von Paris, die Bewerbung für das höchste Amt im Staat deponiert.

Der Moment ist ungünstig für Valls, wie die Demission von Matteo Renzi auf spektakuläre Weise verdeutlicht: Sozialliberale Reformer sind nicht im Trend. Und er, der "Réalo" im Parti Socialiste, der unter anderem die Staatsschuld und behördlichen Schlendrian bekämpfen will und gesellschaftspolitisch sehr autoritär auftritt (unter ihm wird der Ausnahmezustand des Landes zur Regel), hat es schwer gegen Linkspopulisten wie Jean-Luc Mélenchon oder unorthodoxe Linksliberale wie Emmanuel Macron. Beide wollen bei den französischen Präsidentschaftswahlen im April 2017 antreten, und beide liegen derzeit in den Umfragen vor Valls.

Die Positionierung entscheidet

Das kann sich allerdings ändern. Mit einem entschlossenen Auftritt – und entschlossen ist er – hat Valls Argumente gegen den Liberalkonservativen François Fillon, dessen Projekt schon jetzt als Kahlschlagprogramm verschrien ist. Dafür wird er sich aber betont links geben müssen, was ihm nicht unbedingt liegt.

Denn entscheidend wird seine Positionierung sein. Wenn Valls die Primärwahl der Sozialisten im Jänner gewinnen will, muss er über seinen Schatten springen und dem französischen "Sozialismus" huldigen, den er eigentlich (mit einem Wechsel des Parteinamens) abschaffen wollte. Hollande hatte dies auch getan – und damit die Grundlage für seine abgrundtiefe Unpopularität gelegt; denn nach seiner Wahl erzürnte er seine eigenen Wähler, als er liberale Wirtschaftsreformen startete.

Valls hat es nicht einfach: Wenn er nach links hält, wird er gegen Fillon nicht ankommen; wenn er aber nach rechts hält, wird ihm seine Partei die Unterstützung verweigern. Eigentlich hat Valls beschränkte Chancen. Das wird ihn, den leidenschaftlichen Stierkampffreund spanischer Abstammung, aber nur zusätzlich anfeuern. (Stefan Brändle, 5.12.2016)