Athen/Sofia – Die Ansage klang nicht eben beruhigend für liberal denkende Bulgaren, doch für die Anhänger der Patriotischen Front war es nur logisch: "Wir stehen bereit, die Kontrolle über das Land zu übernehmen", erklärte Krasimir Karakatschanow, Co-Chef der Front, dieser Tage. Die eben losdümpelnde Suche nach einer möglichen neuen Regierung wurde mit einem Mal sehr interessant.

Denn das Skript in Sofia sah eigentlich ganz anderes vor: Der konservative Premier Boiko Borrissow war Mitte November zurückgetreten, um wieder einmal Neuwahlen zu erzwingen. Auch den größeren Oppositionsparteien – den Sozialisten der BSP und der Geschäftsleutepartei DPS – war das nur recht. Von Staatspräsident Rossen Plewneliew, einem ehemaligen Borissow-Minister, wurde erwartet, dass er kurz vor Ende seiner Amtszeit im Jänner zum dritten Mal eine Übergangsregierung zusammenstellt. Aber dann meldeten sich Karakatschanow und sein Mit-Frontmann Waleri Simeonow zu Wort.

Mit dem Zeitgeist

Auf der Welle des Rechtspopulismus, die durch Europa und die USA wogt, könnte auch das kleine Balkanland Bulgarien plötzlich eine von Nationalisten geführte Regierung bekommen. Nur 19 Sitze hat die Patriotische Front im Parlament in Sofia. Doch die fünftgrößte Fraktion hatte bisher schon als stabilste Kraft Borissows Minderheitskabinett gestützt und würde nun einfach die Rollen tauschen: Die Patrioten sitzen im Premierssessel, der Expremier und dessen Partei tolerieren sie.

Neues Verhältnis zu EU/Nato

Staatschef Plewneliew, dem die Bildung einer dritten Interimsregierung nach 2013 und 2014 wenig Freude bereitet, schien der Idee zunächst nicht abgeneigt. Das Parlament habe seine Möglichkeiten noch nicht erschöpft, erklärte er. Doch die Ankündigung von Karakatschanow und Simeonow, ein neues Verhältnis zu EU und Nato zu suchen, dürfte den prowestlichen Plewneliew abschrecken.

Der scheidende Präsident gab am Freitag Borissow als Chef der größten Parlamentspartei formell ein Mandat zur Regierungsbildung und bekam es binnen einer Minute wieder zurück. Man regiere, wenn man Wahlen gewonnen habe, erklärte Borissow. Seine Kandidatin hatte die Präsidentenwahlen im November verloren. Das war für Borissow Grund genug für den Rücktritt.

Als zweitstärkste Kraft sind die Sozialisten an der Reihe. Auch sie wollen einen Regierungsauftrag zurückgeben. Beim dritten Versuch hat Plewneliew freie Wahl. Dann könnte die Stunde der Patriotischen Front schlagen. (Markus Bernath, 2.12.2016)