Universitäten und Fachhochschulen würden sich immer ähnlicher, sagt Elmar Schüll, Wissenschafter an der FH Salzburg.

Foto: iStock

"Studierende brauchen mehr Zeit für Diskussion. Sie müssen lernen, sich kritisch mit Problemen zu befassen", sagt Schüll.

Foto: Heiko Berner

STANDARD: Sie zweifeln in Ihrem Buch an der "Erfolgsstory" der Fachhochschulen. Wieso?

Schüll: Die Außendarstellung der Fachhochschulen wird wesentlich von ihnen selbst kreiert, und die Leitungen haben natürlich Interesse daran, ihre eigene Hochschule als besonders erfolgreich darzustellen. Fachhochschulen stehen untereinander, aber auch mit Universitäten im Wettbewerb – um Forschungsmittel, Lehrpersonal und Reputation. Die Selbstbeschreibung von Fachhochschulen wird daher fast reflexartig mit dieser Erfolgsstory verknüpft.

STANDARD: Dennoch hat sich der Sektor seit seiner Gründung vor 20 Jahren dynamisch weiterentwickelt: Aus knapp 700 wurden über 50.000 Studierende, das Angebot an Fächern wuchs von zehn auf mehr als 400. Das Betreuungsverhältnis ist besser als an der Uni. Sind das keine Erfolge?

Schüll: Sicher. Nur darf das nicht dazu führen, dass man sich nicht mehr mit den Problemen beschäftigt, die es ja auch gibt. Gerade das Wissen um den Erfolg sollte die nötige Sicherheit geben, die Herausforderungen offen anzusprechen.

STANDARD: Wo hakt es?

Schüll: Ein zentrales Ergebnis meiner Studie ist, dass sich Fachhochschulakteure eine Entwicklung hin zu mehr "Hochschulförmigkeit" wünschen. Das bedeutet beispielsweise in der Lehre, nicht nur Stoff zu vermitteln – die Studierenden brauchen mehr Zeit für Diskussion und Reflexion. Auch wird ein stärkerer Fokus auf Forschung gewünscht.

STANDARD: Klingt, als wären die Fachhochschulen den Unis dann ähnlicher?

Schüll: Diese Konvergenz gibt es heute schon. Die FHs werden den Universitäten immer ähnlicher: Sie bauen Forschungsaktivitäten aus, verleihen gleichlautende Abschlüsse. Gleichzeitig entwickeln die Unis fachhochschulähnliche Strukturen: Der Drittmitteldruck fördert auch dort anwendungsnahe Forschung, und in vielen Fächern sind Universitäten vornehmlich Lehranstalten mit vielen Studierenden.

STANDARD: In Ihrer Dissertation beschreiben Sie, was passieren könnte: Die FHs könnten verschwinden, die beiden Sektoren zu einem werden. Eine provokante These.

Schüll: Wenn das Leistungsportfolio immer ähnlicher wird, stellt sich tatsächlich die Frage: Wozu braucht es noch zwei separate Systeme? In Großbritannien etwa wurden die damaligen "polytechnics" 1992 zu Universitäten umgewandelt. Das ist aber nur ein mögliches Szenario. Wünschenswerter wäre, dass eine Ausdifferenzierung gelingt. Die Herausforderung für FHs besteht demnach darin, den Anspruch einer Hochschule mehr als bisher einzulösen – ohne so zu werden wie die Universitäten.

STANDARD: Genau das strebt der Wissenschaftsminister mit dem Projekt "Zukunft Hochschule" an: die Profile der einzelnen Hochschultypen zu schärfen.

Schüll: Die bisherige Konvergenz war so nicht intendiert. Was stets fehlte, war ein Entwicklungsplan für den gesamten Hochschulraum. Der ist mit "Zukunft Hochschule" jetzt angedacht. Mit diesem Entwicklungsplan soll genau das ermöglicht werden, was der Wissenschaftsrat als eine "geordnete akademische Landschaft" bezeichnet. Um eine solche zu schaffen, heißt es, müssen die Profile der einzelnen Hochschulen geschärft und das Studienangebot abgeglichen werden.

STANDARD: Sollten praxisbezogene Studien wie Jus von den Unis zu den Fachhochschulen wandern?

Schüll: Die wenigsten Jus-Studierenden wollen nach Abschluss Rechtswissenschaft betreiben. Sie wollen in der Regel praktisch tätig werden, als Anwalt beispielsweise. Vom Prinzip her würde Jus also an die Fachhochschule gehören. Entscheidend ist aber, dass der Abgleich der Studienplätze einvernehmlich geschieht. Dies sehe ich in diesem Fall nicht. Bei anderen Fächern wäre das denkbarer.

STANDARD: Bei welchen?

Schüll: Bei der Kommunikationswissenschaft zum Beispiel. Auch hier will ein Großteil der Studierenden später praktisch tätig werden, in PR-Agenturen, im Journalismus, als Medienberater. Denkbar wäre also ein entsprechender Ausbau des Angebots an Fachhochschulen. Das würde die Uni entlasten, es gäbe dort noch immer die Kommunikationswissenschaft, dann aber mit einer stärkeren wissenschaftlichen Ausrichtung, einer besseren Betreuung und mehr Zeit für forschungsgeleitete Lehre. So würde Profilbildung vollzogen. Einen Ausbau der Studienplätze und Studienangebote an FHs könnte es auch im Bereich der Betriebswirtschaftslehre geben.

STANDARD: Was ist mit Studiengängen, die Megatrends wie Digitalisierung und demografischer Wandel Rechnung tragen? Werden sie schnell genug geschaffen?

Schüll: Ja. Die Fachhochschulen reagieren sehr schnell auf den Bedarf am Arbeitsmarkt. Der Trend der Digitalisierung betrifft allerdings viele Berufe, die FHs greifen ihn in verschiedenen Studien auf. Ähnliches gilt für den demografischen Wandel: Alterns- und migrationsbezogene Überlegungen spielen für zahlreiche Studiengänge eine große Rolle.

STANDARD: Um noch schneller reagieren zu können, fordert die Fachhochschulkonferenz, dass Akkreditierungen für neue Studiengänge wegfallen. Sinnvoll?

Schüll: Ich meine, dass es gerade im Rahmen eines Gesamtentwicklungsplans gut ist, dass es außerhalb von Fachhochschulen noch eine Instanz gibt, die die Qualität der Anträge prüft.

STANDARD: Sie fordern spezifische Angebote für Migranten und Migrantinnen. Warum gibt es an den FHs keine einheitliche Strategie wie die "More"-Initiative an den Unis?

Schüll: Es ist immer schwer zu erklären, weshalb etwas nicht ist. Ich glaube aber, dass so etwas auch an den FHs möglich und nötig wäre. Hochschulen haben neben Lehre und Forschung ja auch die sogenannte dritte Mission, und die FHs könnten als gesellschaftlicher Player, aber auch in Lehre und Forschung wertvolle Beiträge zu gesellschaftlicher Inklusion leisten. (Lisa Breit, 3.12.2016)